Jeier, Thomas
hatten, machten sie sich selbst auf und betrieben Handel in größerem Stil.
Der Austausch brachte vielfältige praktische und ideelle Vorteile und gab ihnen durch den Erwerb bisher kaum bekannter Materialien wie Obsidian und Kupfer die Möglichkeit, bessere Werkzeuge, Waffen, Haushaltsgegenstände und Kunstwerke herzustellen. Exotische Farben und neue Muster fanden sich auf Töpferarbeiten und gewebten Alltagsgegenständen; die Männer eigneten sich neue Jagdmethoden an, die Frauen lernten neue Garmethoden und Gerichte zuzubereiten, und durch die Begegnung mit fremden Völkern erlernte man neue Sprachen. Die Angehörigen der Hopewell-Periode lebten wohl unbeschwerter als die der Adena-Periode vielleicht genossen sie ihr Leben sogar, denn sie hatten kaum Feinde, ihre Felder gaben genug Ertrag und in den Wäldern gab es ausreichend Wild, selbst für ausgedehnte Siedlungen mit über hundert Einwohnern. Die Jagd war immer noch die Hauptbeschäftigung eines Kriegers, und es sollten noch drei Jahrhunderte vergehen, bis der Ackerbau endgültig das Leben der Menschen bestimmen würde.
Der Niedergang der Hopewell-Kultur ging mit einer klimatischen Veränderung einher, die das feste Gefüge ihrer Organisation zerstörte. Niedrigere Temperaturen hatten Missernten zur Folge, ließen die damalige Bevölkerung wohl den Glauben an die überirdischen Kräfte verlieren, und die Besuche der Händler wahrscheinlich ebenfalls seltener werden. Die daraus resultierenden sozialen Probleme, vor allem der Nahrungsmangel führte zu Streitigkeiten und Kriegen zwischen den Dörfern. Dies alles gipfelte in einer Phase der Gewalt, die sich deutlich an den zahlreichen Funden von Waffen und Knochen abgetrennter Gliedmaßen ablesen lässt, die Archäologen im Ohio Valley und in Illinois freilegten.
Cahokia, die Stadt der Sonne
Auf die Adena- und Hopewell Periode folgte die Phase der Mississippi-Moundbuilders. Deren Angehörige waren ein hochentwickeltes Volk, dessen Kultur um 700 nach Christus in den Tälern des gleichnamigen Flusses ihren Anfang nahm und sich im Laufe der nächsten Jahrhunderte über die gesamte Osthälfte des nordamerikanischen Kontinents ausbreitete. Cahokia, die Hauptstadt ihres gewaltigen Reiches am Zusammenfluss von Mississippi und Missouri, erreichte ihre Blütezeit um 1000 nach Christus und stand den eindrucksvollen Zentren der mesoamerikanischen Kulturen in Größe und Bedeutung in keiner Weise nach. Offensichtlich unterhielt man rege Handelsbeziehungen zu den mesoamerikanischen Völkern, vornehmlich den Tolteken, deren Händler über ein verzweigtes Netz von Wegen und Flüssen in die Wälder des amerikanischen Ostens vorstießen. In den Gräbern bedeutender Würdenträger der Mississippian-Moundbuilders fand man Alligatoren- und Haifischzähne, Muscheln, Perlen und Kupfer, das nur aus Mesoamerika stammen konnte. Ihre Kultur wies vornehmlich in der Baukunst, so viel Ähnlichkeit mit mesoamerikanischen Hochkulturen auf, dass sich die Händler wie zu Hause gefühlt haben müssen, wenn sie Cahokia erreichten. Die Tolteken, die vielleicht militanteste Hochkultur des späteren Mexiko, erreichte ihre Blütezeit im 11. Jahrhundert. Sie könnten die Ziehväter der Mississippian-Kultur gewesen sein, ihnen ihre Kultur und Religion überbracht haben und ihnen dabei geholfen haben, ein ebenso mächtiges Reich in Nordamerika zu errichten.
Dabei waren durchaus Eigeninteressen im Spiel. Die Mesoamerikaner betrachteten den Handel als bedeutenden Teil ihrer Kultur und brauchten starke Partner, die mehr zu bieten hatten als die einfachen Jäger und Sammler, die weite Teile des Nordens bevölkerten. Nur ein Volk, das ihnen gleichwertig und in Handwerk und Kunst ebenbürtig war, konnte ein starker Handelspartner sein. Der Handel bedeutete Herausforderung und Wettbewerb zugleich, er war eine Möglichkeit, sich mit fremden Völkern zu messen. Ein Krieg mit unterlegenen Feinden betrachteten sie als unproduktiv und sinnlos, er hätte ihnen nichts gebracht, zumindest nicht in den bisher »unzivilisierten Gebieten« des amerikanischen Nordens.
Die Parallele zwischen der Mississippi-Kultur und den mesoamerikanischen Hochkulturen findet sich auch in der übergeordneten Bedeutung der Landwirtschaft. Sie betrieben Ackerbau im großen Stil, erreichten mit dem Anbau von Mais, Squash, Bohnen und anderem Gemüse in dem wieder gemäßigten Klima der weiten Flusstäler eine solche Perfektion, dass die Jagd lediglich der Erweiterung ihres
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