Jeier, Thomas
sich in einem wahren Blutrausch, vergingen sich an lebenden und toten Frauen, schnitten ihnen die Brüste ab und trugen sie als Trophäen davon. 133 Cheyenne und Arapaho starben am Sand Creek, darunter 98 Frauen und Kinder. Einige wenige von ihnen wurden als Gefangene verschleppt, zwei kleine Mädchen und einen Junge brachte man nach Denver und stellte sie auf einem Jahrmarkt als Kuriositäten aus. Die Bürger empfingen die heimkehrenden Soldaten und Freiwilligen wie Helden und ehrten sie mit einer Parade. Die erbeuteten Trophäen konnte man während eines Empfangs in einem Theater besichtigen.
William N. Byers hielt es nicht für nötig, Chivington einen Reporter mitzuschicken, verzichtete auch darauf, den Colonel oder Angehörige seiner Miliz nach ihrer Rückkehr zu befragen. »Bully for the Colorado Boys!«, titelte er, nachdem der Sieg über die Cheyenne am Sand Creek bekannt geworden war. Einen Tag später zierten gleich mehrere Schlagzeilen die Titelseite: »Große Schlacht mit Indianern! Wilde vertrieben! 500 Indianer getötet! Unser Verlust: 9 Tote, 38 Verwundete. Alle Einzelheiten.« Die Einzelheiten beschränkten sich auf den offiziellen Bericht des Colonels, in dem dieser allerdings maßlos übertrieb und schamlos log: »Wir töteten die Häuptlinge Black Kettle, White Antelope und Little Robe und zwischen 400 und 500 andere Indianer und fingen zwischen 400 und 500 Pferde und Maultiere ein. Alle [Teilnehmer] haben sich ehrenhaft verhalten.« Und als Rechtfertigung für den Angriff fügte er hinzu: »Wir fanden den Skalp eines weißen Mannes, nicht älter als drei Tage alt, in einem Zelt.« Bei Black Kettle irrte er sich. Der Häuptling überlebte, starb jedoch vier Jahre später bei einem ähnlich grausamen Massaker, als Lieutenant Colonel Custer über 100 Indianer am Washita River umbrachte.
Während der folgenden Wochen wurde Byers nicht müde, das Massaker am Sand Creek als glorreichen Sieg und »wichtigen Schritt für ein sicheres Territorium« zu feiern. »Die Leute mögen sich über die Gewissheit freuen, dass die gewaltsamen Überfälle der Indianerbanden endlich ein Ende gefunden haben«, schrieb er in einem Leitartikel. Am 13. Dezember lobte er die Miliz ein weiteres Mal und nannte den Kampf »kurz, aber brillant.« Einen zweiten Angriff habe es nicht gegeben, weil die Indianer nicht mehr dazu fähig gewesen wären, ihre Waffen zu erheben. Und wiederum ein paar Tage später verteidigte er die Miliz: »Die Soldaten von Colorado haben sich gut verhalten.«
Über den Telegrafen versorgte Byers seine Kollegen an der Ostküste mit Nachrichten, und natürlich schickte er ihnen dieselben Artikel, die er auch in seiner Zeitung veröffentlicht hatte. Nicht die nüchternen Meldungen unabhängiger Mitarbeiter von Agenturen, sondern die von den persönlichen und politischen Interessen gefärbten Artikel aus Denver erschienen, in der New York Times , im New York Herald , dem Philadelphia Inquirer und der Cincinatti Gazette , vielleicht auch, weil der in seiner Endphase befindliche Bürgerkrieg die dramatischeren Schlagzeilen an der Ostküste lieferte. Erst die anonymen Briefe einiger Milizangehöriger und ihrer Vertrauten im Osten ließen das Pendel auf die andere Seele schwingen. »Die meisten Opfer waren Frauen und Kinder, niemand wurde verschont«, stand in einem Brief, der an den New York Herald gerichtet war. »Wenn das ein glorreicher militärischer Sieg sein soll, möge mich Gott davor verschonen.« Als »Massaker an hilflosen Wilden« bezeichnete der Washington Star die Auseinandersetzung. Der Advertiser & Union in Auburn, New York, verglich das Massaker mit dem Mord an einer Familie in Auburn: »Der Mörder in Baltimore hat eine Familie getötet. Chivington hat 200 Familien der Cheyenne getötet, ohne provoziert worden zu sein.« Im Westen kritisierte lediglich das Black Hawk Journal , das gegen die Umwandlung von Colorado in einen Staat agitierte, den Angriff als Massaker, als ein Verbrechen an »armen Naturkindern.« Die Rocky Mountain News taten die Kritik als billige Propaganda ab und betonten das, was auch Gouverneur John Evans und Colonel Chivington vor dem bald darauf einberufenen Untersuchungsausschuss aussagten, dass die angeblich so friedlichen Indianer sehr wohl feindselig gewesen seien. Über die weiße Flagge, die Black Kettle über seinem Tipi gehisst hatte, verlor Chefredakteur William N. Byers kein Wort.
Der Untersuchungsausschuss brachte kein Ergebnis. Der Colonel war sich keiner
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