Jeier, Thomas
erschießen, verbot er ihnen, damit fortzufahren. Ebenso wenig ließ er einen Trupp nach Major Joel Elliott suchen, der mit 20 Männern einer Gruppe von unbewaffneten Frauen und Kindern nachgeritten war. Wie man erst später feststellte, gerieten die Soldaten in einen Hinterhalt der Cheyenne und wurden bis auf den letzten Mann niedergemacht. Bis zu seinem Tod beschuldigten einige Offiziere Custer der unterlassenen Hilfeleistung.
Wie viele Indianer am Washita starben, ist bis heute ungeklärt. Die Zahlen schwanken zwischen 20 und über 100 Toten. Custer selbst gab in seinem offiziellen Bericht an, 103 Indianer getötet zu haben. Darunter waren über 60 Frauen und Kinder. 53 Frauen und Kinder ließ er gefangen nehmen und nach Fort Cobb bringen. In seinem Bericht stellte er seine Aktion als vernichtenden Sieg über die indianischen Krieger dar. Auch Sheridan verteidigte den Angriff, vor allem, gegenüber der New York Times , die einen wütenden Brief des früheren Indianeragenten Wynkoop veröffentlichte, der die Schlacht als »Massaker an friedlichen Indianern« verurteilte. Die Zeitung berichtete, dass Custer angeblich großes Vergnügen daran gehabt hätte, 800 Indianerponys und die Hunde im Lager abknallen zu lassen.
Der Historiker Jerome Greene kommt in einer gründlichen Untersuchung von Washita, auch unter dem Aspekt der Verletzung von Kriegsgesetzen, zu dem Schluss, Custer habe am Washita kein Massaker begangen, zumindest nicht »im Kontext der damaligen Zeit.« Tatsächlich war Custer nicht der fanatische Indianerkiller, als der er manchmal hingestellt wird. Als begeisterter Kämpfer und Soldat liebte er die Herausforderung, die ein Feldzug gegen die tollkühnen Krieger der Sioux und Cheyenne bot, es wäre aber gegen seine militärische Ehre gewesen, sich am sinnlosen Abschlachten von Frauen und Kindern zu beteiligen. Wenn man ihm glauben darf, fielen die meisten der Frauen und Kinder am Washita durch die Kugeln der Osage-Scouts, indianischen Spurensuchern, die auf Seiten der Armee kämpften. Und auf dem Weg ins Fort soll er streng darauf geachtet haben, dass seine Männer die Gefangenen nicht belästigten - was ihn nicht daran hinderte, sich eine der jungen Cheyenne-Frauen zur Geliebten zu nehmen. Nach Aussagen anderer Cheyenne-Frauen sollen sie einen gemeinsamen Sohn gehabt haben. Dass Custer sogar bei seinen Feinden ein gewisses Ansehen genoss, zeigt die Tatsache, dass er nach seinem Tod am Little Bighorn nicht verstümmelt wurde - aus Respekt vor ihm und weil die Indianer seine Gefährtin als zweite Ehefrau akzeptierten.
Massaker oder Schlacht - ein fairer Kampf unter gleichwertigen Gegnern war Washita bestimmt nicht. Ein großer Teil der Bewohner des Dorfes waren Frauen und Kinder, und Black Kettle war ein friedliebender Häuptling, der lediglich um das Wohl seines Stammes besorgt war. Am Morgen des Angriffs waren weder er noch seine Krieger für einen Kampf gewappnet. Man hatte sich vor dem kalten Winter in die Tipis verkrochen, die Ponys waren viel zu mager und ausgezehrt für einen Kampf, und Black Kettle hatte mehrfach seine Absicht bekundet, in Frieden mit den Weißen zu leben. Dass er zum Opfer eines besonders heimtückischen Angriffs wurde, lag auch an von einigen jungen Kriegern verübten Übergriffen an Siedlern, vor allem aber an der Entschlossenheit von General Sheridan, die Indianerkriege wenn nötig auch mit einem gnadenlosen Vernichtungskrieg zu beenden. Von ihm stammt der Ausspruch: »Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer.« Eine Maxime, die auch Massaker an Menschen erlaubte.
»Newspaper War« am Wounded Knee
Anders als Sand Creek, das vor allem politisch motiviert war, und Washita, das General Sheridan und die US-Armee zu verantworten hatten, war Wounded Knee das Ergebnis einer kollektiven Panikmache, die von den Korrespondenten der auswärtigen Zeitungen im Pine Ridge Reservat in South Dakota angeheizt wurde. In einem beispiellosen Wettlauf um die sensationellsten Meldungen eines »drohenden Indianeraufstandes« überboten sie einander gegenseitig mit aufgebauschten und erfundenen Meldungen. Ihre Berichte, die auf den ersten Seiten überregionaler Zeitungen wie der Chicago Daily Tribune und der New York Times erschienen, trugen entscheidend zur Verunsicherung der im Umfeld des Reservats lebenden Siedler und zur Nervosität der herbeigerufenen Truppen bei und waren einer der Auslöser für den dramatischen und tragischen Schlusspunkt der Indianerkriege auf den Great
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