Jeier, Thomas
schrieben die Korrespondenten ihre Berichte aufgrund von Gerüchten und Hörensagen. Die meisten Reporter verzichteten darauf, sich mit den Beteiligten selbst zu unterhalten, und verließen sich auf die Meldungen der »News Factory«. Eine Presseagentur, die von Mischlingen und Weißen, die mit Indianerinnen verheiratet waren und im Reservat lebten, gegründet worden war, Nachrichten sammelte und an die Reporter verkaufte. Dass es sich dabei selten um Fakten, sondern um Sensationsberichte handelte, verstand sich von selbst. Aus dem einzigen Grund, mit möglichst sensationellen Berichten die Auflage zu steigern, erfand man Schlagzeilen wie »Im Zustand des Terrors« ( Chicago Daily Tribune ), »Die Wilden werden kämpfen « ( New York Times ) und »Gewehr auf dem Rücken ( Omaha Daily Bee ). Zusätzlichen Zündstoff bot die Ermordung von Sitting Bull am 15. Dezember 1890 durch die Indianerpolizei.
Mit dem Eintreffen der »glorreichen« Siebten Kavallerie, der Einheit, die Custer am Little Bighorn in ihr Verderben geführt hatte, kam es zu einer weiteren Zuspitzung. Obwohl keiner der Reiter den »Boy General« persönlich gekannt hatte, fürchtete man sich vor einem Racheakt der Siebten gegen die Sieger vom Little Bighorn. Während sich ein Teil der Angehörigen der Geistertanzbewegung in die nahen Badlands zurückzog, schrieb die Chicago Daily Tribune : »Vorbereitungen für den Kampf. Die Indianer sammeln sich zur Schlacht gegen die Truppen.« Die Omaha Daily Bee , wie immer aggressiv und wenig diplomatisch: »Nur ein Schuss würde einen Kampf bis zum letzten Mann auslösen.« Damals konnte man nicht wissen, dass sich dieser Satz bald bewahrheiten würde. Die New York Times wähnte sich gar »am Vorabend einer bedeutenden Schlacht.«
Rache für Little Big Horn
Was am 29. Dezember 1890 am Chankpe Opi Wakpala geschah, dem Fluss, den die Weißen »Wounded Knee« nannten, schilderte mir der Lakota-Indianer Ron Hawks vor dem Massengrab der ermordeten 250 Männer, Frauen und Kinder: »Auch einige meiner Verwandten liegen hier. Das stimmt mich traurig. Aber ich verstehe auch, wie es zu diesem Massaker kam. Die Siebte Kavallerie wollte Rache für Little Big Horn. › Du kannst die Siebte nicht zerstören‹, hatte es immer geheißen, aber Sitting Bull und Crazy Horse hatten es geschafft, und diese Niederlage machte der Armee schwer zu schaffen. Big Foot hielt eine weiße Flagge in der Hand, als er erschossen wurde, so wurde es mir von meinen Großeltern berichtet. Die Soldaten dachten, dass er nach einer Waffe griff. Als er das weiße Tuch herauszog, wurde er ermordet! So hat es sich zugetragen, auch wenn die meisten weißen Historiker etwas anderes behaupten. Die Geschichtsbücher erzählen selten die Wahrheit. Oder sollten die Soldaten sagen, dass sie das Feuer aus Rache eröffnet hatten? Die überlebenden Indianer wurden kaum gefragt, aber ich kenne die Wahrheit«
Big Foot gehörte zu den Häuptlingen, die als Unruhestifter geführt wurden und verhaftet werden sollten. Als ihm einige Hunkpapa-Sioux berichteten, dass Sitting Bull ermordet worden war, zog er mit 120 Männern und 230 Frauen und Kindern seines Minneconjou-Stammes nach Pine Ridge, weil er glaubte, dort sicher zu sein. Er war krank, und die Kälte setzte ihm so stark zu, dass Blut aus seiner Nase tropfte. Major Samuel Whitside schnitt ihm mit einem Trupp der Siebten Kavallerie den Weg ab und befahl ihm, zum Wounded Knee Creek zu ziehen, wo sie entwaffnet und verhaftet werden sollten. Er stellte dem kranken Häuptling sogar einen Ambulanzwagen zur Verfügung. Whitside begleitete die Indianer mit vier Kavallerie-Einheiten zum Fluss. Dort kampierten weitere Soldaten. Es war der 28. Dezember 1890. Man beschloss, die Krieger erst am nächsten Morgen zu entwaffnen, versorgte die Indianer mit Lebensmitteln und stellte ihnen sogar Zelte zur Verfügung. Zwei Kompanien bewachten das Lager, auf einem nahen Hügel waren zwei Hotchkiss-Kanonen postiert. Spätabends erschien Colonel James W. Forsyth mit der restlichen Siebten Armee. Er hatte Anweisung, Big Foot und seine Leute festzunehmen und in das Militärgefängnis von Omaha zu überführen. Zwei weitere Kanonen wurden aufgestellt. Colonel Forsyth übernahm den Oberbefehl.
Am Morgen des 29. Dezember wurden die Indianer entwaffnet. Ihre Gewehre stapelten Soldaten auf dem Boden. Wütend durchsuchten die Soldaten das Lager nach versteckten Waffen. Bei einem jungen Krieger, der sich Black Coyote nannte, fanden sie ein
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