Jeier, Thomas
Bull wiegelt die nervösen Rothäute auf!« Und auf derselben Seite: »Die Armee steht bereit, einen Aufstand zu unterdrücken.«
Obwohl ein großer Teil der Sioux in den Reservaten der Lehre des indianischen Messias folgte und den Geistertanz tanzte, kam es zu keinen Zwischenfällen. Elaine Goodale, die »Supervisor of Education« für alle Schulen der Sioux Reservate war, wagte sich sogar ohne besonderen Schutz auf eine Rundreise, in der Gewissheit, dass sich die Geistertänzer friedlich verhielten und sie nichts zu befürchten habe. Unruhe verbreitete allein die Presse, die weiterhin in großen Lettern über »einen bevorstehenden Aufstand« berichtete und die außerhalb der Reservate lebenden Farmer und Siedler an den Rand einer Panik trieb. Besonders rigoros und im ureigenen Interesse ging der Mandan Pioneer vor, das Sprachrohr einer kleinen Stadt, die ihre Existenz dem nahe gelegenen Fort Abraham Lincoln zu verdanken hatte, von dem es komplett abhängig war. Als dem Chefredakteur R. M. Tuttle zu Ohren kam, dass der Militärstützpunkt, bis vor kurzem noch die Heimat von Custers legendärem Siebten Kavallerie Regiment, geschlossen werden sollte, schreckte er die Bevölkerung mit erfundenen Schreckensberichten aus den Reservaten auf und forderte die Regierung auf, mehr Truppen nach Fort Abraham Lincoln zu beordern. Besonders die deutschstämmigen Farmer, die sich in der Nähe von Bismarck angesiedelt hatten, gerieten in Panik, flohen Hals über Kopf von ihren Farmen und errichteten ein Schutzfort das von den anderen Siedlern und der Presse als »Fort Sauerkraut« verspottet wurde. Einige Familien hatten bereits die Sioux-Unruhen in Minnesota (1862) miterlebt und waren gewarnt.
Eine Mitschuld an den tragischen Ereignissen im Winter 1890 trug auch Dr. Daniel F. Royer, ein Arzt und Apotheker, der aus unerfindlichen Gründen zum neuen Indianeragenten von Pine Ridge ernannt wurde. Er hatte eine solche Angst vor den Indianern, dass er zu keiner klaren Erdscheidung fähig war und von ihnen »Young-Man-Afraid-of-Indians« genannt wurde. Schon nach wenigen Tagen forderte er Militär an, in der Angst, es könnte »jeden Tag zu einem Aufstand« kommen. In einem seiner zahlreichen Briefe und Telegramme an die Regierung kommentierte er die neue Geistertanz-Religion mit den dramatischen Worten: »Die Indianer tanzen im Schnee [...] sie sind wild und verrückt [...] nur Soldaten, mindestens 1000 Mann, können den Geistertanz beenden.« Wenn die Lage bedrohlich zu werden schien, verließ er die Agentur und kroch bei Bekannten außerhalb des Reservats unter, einmal schloss er sich in seiner Wohnung ein und überließ seinen Angestellten die Geschäfte.
Anfang November reagierte Washington auf seine Hilferufe. Aufgeschreckt durch die vielen Presseberichte, entschloss man sich, Truppen nach Pine Ridge zu entsenden. Am 18. November verließen zwei Eisenbahnzüge mit Soldaten, Pferden und Vorräten den Bahnhof in Omaha. Mit an Bord waren mehrere Korrespondenten, die einander schon unterwegs mit sensationellen Berichten überboten. »Die Indianer gehen bald auf den Kriegspfad«, schrieb die Chicago Daily Tribune , »Sie haben bereits damit begonnen, ihre Pferde und allen Besitz gegen Waffen einzutauschen.« Und C. H. Cressey, der »Kriegsberichterstatter« der Omaha Daily Bee interviewte einen Kundschafter und entlockte ihm Sätze wie: »Meine größte Angst ist, dass die Indianer in den Besitz von Feuerwasser kommen und einen Kampf beginnen.«
Am 19. November trafen die Züge in Rushville ein, einem kleinen Ort südlich von Pine Ridge. Nur ein Tagesmarsch trennte die Soldaten noch vom Reservat. Lediglich aufgrund eines Gerüchts, das sich später als reine Erfindung herausstellte, telegrafierten mehrere Korrespondenten die Meldung von einem »blutigen Überfall« an ihre Redaktionen. »Blutiges Werk der Rothäute - angeblich 60 Tote und Verwundete« titelte die Chicago Daily Tribune . »Alles wie gewohnt«, konterte der Chadron Advocate , ein kleines Blatt vor Ort, dessen Redakteure es besser wissen mussten. »Was haben wir getan?«, wehrte sich Little Wound für die Sioux. »Nichts haben wir getan. Unser neuer Tanz gehört zu unserer Religion.« Und General Miles, der »großen Hunger« als Hauptgrund für die Unruhe unter den Indianern erkannt hatte und den Kongress kritisierte, die Verträge zu missachten, warnte die Truppen ausdrücklich davor, sich provozieren zu lassen und die Nerven zu verlieren.
Auch in Pine Ridge
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