Jeier, Thomas
Folterung. Sie zogen ihm die Kopfhaut mitsamt den Haaren ab.« (Apokryphen,2. Buch der Makkabäer, Kap. 7, Vers 7). Auch der griechische Geschichtsschreiber Herodot schrieb um 425 vor Christus über die Skythen, die am Ufer des Schwarzmeers wohnten: »Wenn ein Skythe seinen ersten Feind erlegt, trinkt er von dessen Blut. Sie ziehen den Schädeln die Haut ab. Der Reiter bindet die Haut an den Zügel seines Pferdes und prahlt damit« Auch die Indianer skalpierten ihre Feinde schon vor der Landung der Europäer. Jacques Cartier, der um 1535 den Saint Lawrence River erkundete, und der spanische Entdecker Hernando de Soto, der 1539 vor Florida ankerte, entdeckten Skalps bei den dort ansässigen Völkern. Die Entrüstung der Weißen über den »barbarischen Brauch der blutrünstigen Wilden« verwundert, wenn man bedenkt, dass in Europa in damaliger Zeit ähnlich grausame Bräuche herrschten. Nicht selten wurde einem Herrscher der Kopf eines unliebsamen Widersachers auf dem Tablett gereicht.
In Nordamerika sollen die Huronen mit dem Skalpieren begonnen haben. Über die Irokesen soll die Sitte zu den Sioux und anderen Plains-Stämmen gekommen sein. Die Indianer glaubten, mit der Entfernung der Kopfhaut auch die Seele des toten Feindes auszulöschen. Entsprechend groß war die Bedeutung, die man einer solchen Beute zumaß, im Vergleich zu einem Coup zählte ein erbeuteter Skalp jedoch wenig. Er war bei manchen Stämmen nicht größer als eine Zwei-Euro-Münze, dehnte sich aber, nachdem er getrocknet und präpariert oder auf einen Rahmen gespannt war. Die Krieger verzierten damit ihre Kriegshemden, banden sie an die Zügel ihrer Pferde oder befestigten sie an Pfählen vor der Hütte oder dem Tipi. Die Witwen gefallener Krieger wischten sich mit dem Skalp der getöteten Feinde, die Tränen vom Gesicht, glaubten damit ihre gefallenen Ehemänner zu rächen.
Populär wurde die Sitte jedoch erst, als die Europäer begannen, hohe Prämien für Indianerskalps zu bezahlen. Während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges wurde Henry Hamilton, ein britischer General und Gouverneur-Leutnant von Kanada, nach seiner Gefangennahme wie ein Kriegsverbrecher abgeurteilt, weil er Indianer dafür bezahlt hatte, amerikanische Siedler zu skalpieren. Während des so genannten »Drummer’s War« (1721 - 1725), einer Reihe von Scharmützeln zwischen Engländern und Franzosen, versprach die englische Kolonialregierung eine Prämie von hundert Pfund für jeden Abenaki-Skalp. Die Abenaki hatten sich mit den Franzosen verbündet. 1744 zahlte die Regierung von Massachusetts hohe Prämien für den Skalp von indianischen Männern, Frauen und Kindern. 1749 versprach die französische Kolonialregierung ihren verbündeten Indianern eine Prämie für jeden Skalp eines Engländers. Auch in Mexiko zahlten während der Indianerkriege im 19. Jahrhundert die Regierungen einiger Provinzen hohe Prämien für Skalps der verfeindeten Apachen. Für den Skalp eines Kindes gab es dort 25 Pesos, später sogar das Doppelte. Die Regelungen riefen professionelle Prämienjäger auf den Plan, die das Skalpieren zu ihrem Geschäft machten und mit Vorliebe friedliche Indianer und sogar Mexikaner überfielen, weil diese weniger Widerstand leisteten. Einer der berüchtigten Kopfgeldjäger war James Johnson. Obwohl er Freundschaft mit dem Mimbreno-Anführer Juan José Compá geschlossen hatte, lockte er ihn und mehrere Hundert Männer, Frauen und Kinder im April 1837 zu einer angeblichen Fiesta in eine Schlucht der Sierra de las Animas. Aus einer versteckten Kanone ließ er mitten in die Apachen feuern, die wenigen Überlebenden töteten seine Männer und er mit Pistolen und Messern. Johnson soll seinen vermeintlichen Freund Juan Jose Compá höchstpersönlich erschlagen und skalpiert haben.
Weiße Indianer
Einer der Hauptgründe für die häufigen Raubzüge vieler Indianerstämme war der Menschenraub. Entgegen der Behauptung, die Indianer hätten alle Gefangenen an den Marterpfahl gestellt und auf grausame Weise getötet, ging es den Kriegern häufig darum, Gefangene zu machen. Zahlreiche Männer, vor allem aber Frauen und Mädchen, wurden in den Stamm aufgenommen. Adoptierte Gefangene waren vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft und brauchten keine Nachteile zu befürchten. Oft vergaßen die Gefangenen schon nach wenigen Monaten ihre Herkunft und wollten auch dann nicht zurück, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab. Das galt nicht nur für Indianer, sondern auch für
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