Jene Nacht im Fruehling
Mordversuch an ihr, weil er nicht an diese alte Gangsterlegende von dem verschwundenen Geld gedacht hatte. Seit diesem Mordversuch hatte Mike alles getan, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Sein Wunsch, sie zu beschützen, war so stark, daß er sogar bereit gewesen war, sie mit seinem Vetter Raine wegzuschicken - mit Raine, den er nicht mochte, zumindest insofern nicht mochte, daß er sich für sie, Samantha, interessieren könnte.
Ihren Kopf in das Rückenpolster zurücklehnend und bemüht, nicht zu lächeln, erinnerte sie sich an die letzte Verabredung von Mike. An jenem Abend hatte er sie damit eifersüchtig machen wollen und war enttäuscht gewesen, als sie nicht eifersüchtig wurde. Später hatte er ihr dann verraten, daß sein Rendezvous ein Besuch bei einer sechsundachtzigjährigen Frau gewesen war, die seiner Meinung nach in demselben Nachtklub gearbeitet haben mußte, wo Maxie als Sängerin aufgetreten war.
»Ich gehe mit dir«, sagte sie in dem Moment, als das Taxi vor Mikes Haus hielt.
»Einen Teufel wirst du«, erwiderte Mike, und der Ton, in dem er das sagte, überzeugte Samantha von der Richtigkeit ihrer Überlegungen: Seine Verabredung heute abend hatte etwas mit Maxie zu tun. Sie wäre in arger Verlegenheit gewesen, wenn man sie gefragt hätte, wann sie sich schon einmal in ihrem Leben so sehr über die Richtigkeit ihrer Vermutungen gefreut hatte wie jetzt. Sie war so glücklich, daß sie am liebsten die Vortreppe hinaufgetanzt wäre oder auf dem Treppengeländer balanciert und »Singin ’ in the Rain« in die Abendluft geschmettert hätte.
Aber sie beherrschte sich, ging, während Mike, den Taxifahrer bezahlte, gemessenen Schrittes die Vortreppe hinauf und holte dort ihren Hausschlüssel aus der Tasche, um die Haustür aufzusperren. Aber Mike schob sie mit der Schulter beiseite und benutzte seinen Schlüssel dafür. Lächelnd sah sie ihm dabei zu. Offenbar machten seine altmodischen Ansichten selbst vor Türschlössern nicht halt.
Sie konnte ihm natürlich ansehen, daß er wütend war, und je wütender er wurde, desto glücklicher wurde sie. Wenn Mike eine echte Verabredung gehabt hätte, wäre er nicht wütend gewesen, sondern hätte er sie ausgelacht.
»Was, meinst du, soll ich anziehen?« fragte sie vergnügt. »Ein Kostüm oder einen hübschen Hosenrock?«
»Ein Nachthemd und einen Bademantel«, zischte er durch die zusammengepreßten Zähne, während er die Tür hinter ihnen zumachte. »Das ist alles, was du brauchst, wenn du heute abend zu Hause vor dem Fernseher sitzen wirst.«
»Samstags gibt es abends nie etwas Vernünftiges im Fernsehen, und schon deswegen sehe ich mich gezwungen, dich zu deiner Verabredung zu begleiten.«
»Samantha«, sagte er, ihr einen drohenden Blick zuwerfend. »Du wirst mich nicht begleiten.«
»Vanessa könnte dir das vielleicht übelnehmen?«
Den Bruchteil einer Sekunde sah er sie verdutzt an, ehe sich ein Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete, doch Samantha kannte ihn inzwischen schon so gut, daß sie wußte, wie falsch dieses Grinsen war. Keine Vanessa. Halleluja.
»Zu deiner Information - ich bin mit Abby zum Dinner verabredet.«
»Wo?«
»Du kennst das Lokal nicht. Upper West Side. Sehr vornehm. Ich werde wahrscheinlich sehr spät nach Hause kommen oder vielleicht die ganze Nacht ausbleiben.«
»Sie werden dir erlauben, in einem Pflegeheim zu übernachten?«
Das Entsetzen, das sich kurz in seinen Augen spiegelte war für Samantha die Bestätigung, daß sie ins Schwarze getroffen hatte. Zwar fing er sich sofort wieder, jedoch nicht rasch genug, um bei Samantha noch irgendwelche Zweifel aufkommen zu lassen. Sie stand vor ihm und lächelte ihn an, während er ihr solche Sachen erzählte wie »Abby wohnt nicht in einem Pflegeheim«, und »sie ist eine heiße Lady«. Keine Vanessa. Keine Schauspielerin, kein Mannequin und auch keine Striptease-Tänzerin. Überhaupt niemand. Mike versuchte lediglich, ihre Großmutter wiederzufinden.
»Zum Teufel mit dir, Samantha!« rief Mike schließlich, und das klang so, als wäre er den Tränen nahe. »Himmeldonnerwetter noch einmal - du kannst nicht mitkommen, Sam! Diese Frau könnte deine Großmutter gekannt haben. Docs Leute könnten sie unter Beobachtung halten. Sie könnte ...«
» ... meine Großmutter sein, nicht wahr?«
Als er sich jetzt von ihr wegdrehte, wußte sie, daß er fieberhaft überlegte, was für Argumente er anführen konnte, um sie davon zu überzeugen, daß sie ihn nicht begleiten
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