Jene Nacht im Fruehling
fehlten. Doch je mehr Zeit er mit ihr verbrachte, um so überzeugter war er, daß sie die Mühe lohnte.
Er stand auf und legte Geld auf den Tisch. »Bist du soweit, daß wir gehen können? Ich muß nach Hause und mich umziehen. Ich habe heute abend noch eine Verabredung.«
Langsam erhob sie sich von ihrem Stuhl. Da redete er erst mit ihr über Eheversprechen und Kinderkriegen und erklärte ihr im gleichen Atemzug, daß er noch eine Verabredung habe . . .
19
In der Stille, die sie im Taxi auf der Rückfahrt zu Mikes Haus einhüllte, hatte Samantha Zeit zum Nachdenken -doch zunächst waren da Empfindungen, die sie an jedem klaren Gedanken hinderten. Und was sie da empfand, war eine altmodische, in ihren Eingeweiden wühlende Eifersucht. Das war für sie ein ganz neues Gefühl, und sie brauchte nicht erst lange darüber nachzudenken, um zu erkennen, daß sie dieses Gefühl nicht mochte, und bemühte sich nach Kräften, dieses Gefühl der Eifersucht zu ersticken. Er hatte ihr versichert, daß er ungebunden sei und keine andere Frau liebte. Aber mußte man verliebt sein, um sich mit jemandem zu verabreden? Natürlich ging sie das nichts an, ob er sich mit einer anderen Frau verabredete oder nicht, weil sie ja nur seine Mieterin war, und doch erschien es ihr seltsam, daß er erst ihre Gesellschaft genoß und nun seine Zeit mit einer anderen verbringen wollte.
»Weißt du schon länger, daß du heute verabredet bist?« fragte sie mit bemühter Unbefangenheit, als wollte sie lediglich eine Unterhaltung in Gang bringen. Vielleicht hatte seine Mutter dieses Rendezvous mit der Tochter einer Freundin arrangiert.
»Seit drei Wochen«, erwiderte er knapp.
»Ah. Dann mußt du sie also einhalten.« Eigentlich hatte sie ihn fragen wollen, ob er das Bedürfnis hatte, sie einzuhalten.
»Ja.« Er drehte ihr das Gesicht zu. »Eifersüchtig?«
Sie sah, wie er versuchte, den Unbekümmerten zu spielen, den immer zu einem Scherz Aufgelegten, der sich auf ihre Kosten amüsierte, doch Samantha spürte die Spannung hinter seinen Worten. Er verbirgt etwas vor mir, dachte sie, bemüht, ihm nicht ihren Unmut zu zeigen. Da gibt es etwas, das ich nicht wissen soll. Sofort drängte sich ihr der Gedanke auf, daß er mit Vanessa verabredet war und er das vor ihr geheimhalten wollte. Wie dumm von ihm, sagte sie sich. Was er mit seiner Zeit macht, geht mich doch absolut nichts an. Ihr würde es doch egal sein, ob er sich mit einer Schauspielerin, einem Mannequin, einer Striptease-Tänzerin oder sonst jemandem verabredete.
Als sie jetzt an Vanessa dachte oder irgendeine andere Frau, die vielleicht in Mikes Leben eine Rolle spielen mochte, merkte sie, wie sich jeder Muskel ihres Körpers anspannte. Das ist absurd, sagte sie sich - absolut lächerlich. Mike und ich ... sind Freunde. Das ist alles. Wir waren dazu gezwungen, eine Menge Zeit miteinander zu verbringen, und wir haben das Beste daraus gemacht. Mehr gibt es nicht zwischen uns. Er mußte sich doch einsam fühlen, so allein in einem großen Haus, und deshalb war er dankbar dafür, daß ihm jemand Gesellschaft leistete und deshalb haben wir ja auch so viel Zeit miteinander verbracht, um uns die Stadt anzusehen, einen Einkaufsbummel zu machen, uns zu unterhalten, uns zu berühren, zu küssen . . .
An dieser Stelle riß ihre Gedankenkette plötzlich ab. Mike würde niemals in seinem Leben allein sein. Dafür war er viel zu liebenswert, viel zu gesellig, zu mitfühlend und zu . ..
»Schau mich nicht so an«, flüsterte er, ohne sie anzusehen.
Schuldbewußt drehte sie den Kopf zur Seite und blickte durch das Wagenfenster hinaus. Ihn bedrückte etwas, aber sie wußte nicht, was. In diesem Moment erkannte sie, daß da etwas nicht stimmte. Er lügt, dachte sie. Er hat gar keine Verabredung. Aber warum belügt er mich?
Sie wußte die Antwort bereits, als sie sich diese Frage stellte. Er lügt, weil er mich schützen will. Ein warmes Gefühl durchströmte sie. Nicht nur Wärme, sondern auch Freude, reine, unverfälschte Freude rieselte durch jede Ader ihres Körpers. So wie sie gewußt hatte, daß sie Mike nur ein Signal geben müsse, damit er kam, um sie aus dem Würgegriff dieses maskierten Mannes zu befreien, so wußte sie jetzt, daß Mike versuchte, sie aus einer Gefahr herauszuhalten. Was hatte er damals zu ihr gesagt? »Dein Vater hat dich meiner Obhut anvertraut, und ich gedenke, mich seines Vertrauens würdig zu erweisen.« Sie wußte, daß er sich schuldig fühlte für diesen
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