Jene Nacht im Fruehling
gerade so weit, daß sie Mike zurufen konnte, alle Lichter bis auf die Bodenlampe zu löschen, was er mit einem »wird gemacht, Baby!« beantwortete.
Als sie das Schlafzimmer verließ, war sie nicht mehr die unschuldige, respektable Samantha, sondern Maxie, eine Sängerin, um deren Besitz sich die Männer prügelten.
Als Mike sie die Stufe zum Wohnzimmer herunterkommen sah, pfiff er leise durch die Zähne - und vergaß vollkommen, eine Aufnahme von dem Kleid und ihr zu machen. Die Samantha, die er kannte, seine Samantha, ging nicht so wie diese Frau - mit vorgeschobenen Hüften und verführerischen Körperbewegungen - und trug auch nicht diese funkelnden Diamanten an den Ohren und Handgelenken. Diese Frau war so verschieden von jener, die er kannte, wie Daphne sich von einer Hausfrau in Indiana unterschied. Mike merkte, wie er einen Schritt zurückwich, denn diese Frau flößte ihm ein wenig Furcht ein. Sie gab ihm das Gefühl, er sollte einen Frack tragen und ihr solche Geschenke machen, die man in länglichen, mit schwarzem Samt überzogenen Schachteln zu verpacken pflegte.
Als Sam nur noch wenige Schritte von Mike entfernt war, begann sie den alten Blues anzustimmen, den früher Bessie Smith gesungen hatte.
Viele Menschen glauben, daß die Begabung für Blues von der Hautfarbe abhängt, doch in Wirklichkeit ist es die Erfahrung von Leid und Elend, auf dem sie beruht - und Samantha hatte mehr als genug Herzzerreißendes und Trauriges in ihrem kurzen Leben erfahren, um den Blues genauso gut singen zu können, wie irgendwer sonst auf der Welt. Ihre Stimme, obwohl nicht professionell geschult, war dank eines ererbten Gesangstalents kräftig und ausdrucksvoll.
Mike beobachtete sie, und diese Frau brachte ihn dazu, die Worte, die sie sang, auch zu fühlen, so daß er die Trauer einer Frau empfand, der eine andere Frau den Mann gestohlen hatte. Sie sang diese Worte so, wie nur jemand, der dieses Schicksal selbst erfahren hatte, sie singen konnte. Sie sang sie so, wie sie gesungen werden sollten - wie der Text es verlangte. Samantha war der Typ von Frau, für den dieses Lied geschrieben worden war, und sie sang es sowohl mit ihrem Herzen wie mit ihrer Stimme.
Es war nur ein kurzes, trauriges Lied, und als Samantha es gesungen hatte, konnte Mike sie nur verwirrt anstarren. Es war ihm, als sähe er eine ihm fremde Frau in einem koketten roten Abendkleid, das ihre Reize betonte.
Zu seiner Bestürzung ging Samantha nun auf eine Weise auf ihn zu, wie noch nie eine Frau auf ihn zugegangen war, stellte die Spitze ihres mit hochhackigen Schuhen bekleideten Fußes auf den Rand seines Stuhls zwischen seine Beine, beugte sich zu ihm und sog an ihrer Zigarettenspitze. Er war überzeugt, den Rauch sehen zu können, den sie seitlich aus ihrem rotgeschminkten Mund entweichen ließ.
»Nun, Honey?« sagte sie, und das war nicht Samanthas Stimme. Die Stimme dieser Frau war tiefer, rauh, und sehr, sehr provozierend - die Stimme einer Sirene, die imstande war, Männer in ihren Tod zu locken.
»Samantha?« flüsterte er, und es war ihm peinlich, daß seine Stimme brach wie bei einem Jungen in der Pubertät.
Mit einem schwülen Lachen, das Kathleen Turner alle Ehre gemacht hätte, nahm sie den Fuß wieder vom Stuhl und drehte sich von ihm weg. Als sie sich zur Diele hin entfernte, konnte er die Augen nicht abwenden von ihrem schwingenden Hinterteil und der im sanften Licht der Bodenlampe schimmernden makellosen Haut ihres Rückens.
»Sam«, rief er ihr nach, als sie zu seinem Schlafzimmer zurückging, aber sie drehte sich nicht um. »Maxie-<, flüsterte er und hielt den Atem an, als sie ihn über die Schulter hinweg anlächelte. Es war das Lächeln einer Verführerin - einer Frau, die ihre Wirkung auf Männer sehr genau kannte.
Als Samantha dann im Schlafzimmer verschwand, ließ er den angehaltenen Atem langsam entweichen und rieb sich die Arme. Er hatte nicht nur die Luft angehalten, sondern auch alle Muskeln angespannt. In dem Bemühen, sie wieder zu lockern, ging er zur Verandatür und sah in die Nacht hinaus. Diese Frau, die ihm eben in diesem Zimmer erschienen war, war eine ihm unbekannte Person. Sie war eine Frau mit vielen Geheimnissen, eine Frau, die zu vielem fähig war - und Mike wußte nicht so recht, ob ihm diese Frau sympathisch war. Vielleicht war sie eine Frau, mit der er gern ins Bett gehen würde, da sie aus allen Poren Sinnlichkeit verströmte. Andrerseits wollte er auch lieber nicht mit ihr ins Bett gehen, denn
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