Jene Nacht im Fruehling
hoffentlich nie mehr in ihrem Leben passieren würde.
Als Samantha sich gerade eine Olive von einer Platte nehmen wollte, schlang Mike die Arme von hinten um sie, küßte sie auf den Hals und flüsterte an ihrem Ohr: »Vielen Dank, Sam-Sam, daß du heute mit mir hierhergekommen bist.«
Das war in Anbetracht dessen, wie gut sie sich inzwischen kannten, ein absolut normales, in keinerlei Hinsicht anstößiges Verhalten von Mike - wenn der Mann, der sich diese Vertraulichkeiten erlaubte, auch tatsächlich Mike gewesen wäre. Er trug zwar die gleiche Kleidung wie Mike, hatte auch fast seine Größe, aber er fühlte sich nicht an wie Mike, roch nicht wie Mike und küßte auch nicht so wie Mike.
»Lassen Sie mich sofort los«, sagte sie, sich in den Armen des Mannes steif machend.
»Es schaut uns doch keiner zu«, flüsterte der Mann und fuhr fort, ihren Hals zu küssen.
Samantha hatte sich bisher bemüht, höflich zu bleiben, doch sie wollte sich jetzt nicht länger von diesem fremden Mann anfassen lassen. Als sie den Mund öffnete, um den Mann energisch zurechtzuweisen, spürte sie, wie seine Hand an ihrem Rücken zu ihrem Kreuz hinunterwanderte - und dort nicht anhalten wollte. Da verwandelte sich ihre Empörung in Panik. »Hören Sie auf!« schrie sie, sich gegen die Zudringlichkeiten des Mannes wehrend. »Lassen Sie mich sofort los!«
Obwohl sie wußte, daß nun fast alle Verwandten von Mike sie entgeistert anstarrten, war ihr das in diesem Moment egal. Mochten sie doch von ihr denken, was sie wollten!
»Nehmen Sie sofort Ihre Hände von mir weg! Auf der Stelle!« schrie sie ihn an.
Da ließ der Mann endlich von ihr ab, wich einen Schritt zurück und blickte sie genauso erstaunt an wie der Rest der Familie. Alle sahen sie jetzt so an, als hätte sie den Verstand verloren.
Doch in diesem Augenblick, als Samantha sich bereits wünschte, daß der Boden sich unter ihr öffnen und sie verschlingen möge, tauchte Mike, einen Fußball unter dem Arm geklemmt und von einer Schar seiner Vettern begleitet, am Rande ihres Gesichtsfeldes auf, und sie rannte so schnell sie konnte, zu ihm. Aber als er dann den Arm beschützend um sie legte und sie an sich drückte, merkte sie an seinem Lachen, daß man hier ein Spiel mit ihr getrieben und Mike zweifellos gewußt hatte, daß dieser andere Mann sie anfassen würde. Und wenn es da auch nur noch einen Hauch von Zweifel gegeben hätte, so wurde dieser jetzt beseitigt, als Mike zu ihr sagte: »Darf ich dir meinen Zwillingsbruder Kane vorstellen?«
Mike und Kane, der sie soeben >belästigt< hatte -, grinsten sie an, und sie schienen nun beide von ihr zu erwarten, daß sie über den >Scherz<, den sie sich mit ihr erlaubt hatten, lachte und ihnen ihr >kleines Täuschungsmanöver« verzieh.
Doch Samantha fand dieses Bäumchen-wechsle-dich-Spiel, das die beiden zweifellos schon öfter mit den Freundinnen des anderen getrieben hatten, gar nicht lustig. Sie funkelte Mike wütend an, sagte: »Tu mir den Gefallen und häng dich dort irgendwo an einem Baum auf«, drehte ihnen den Rücken zu und entfernte sich zum Ausgang des Parks hin, während die ganze Familie hinter ihr in lautes Gelächter ausbrach.
Samantha war schon fast bei der Fifth Avenue, als Mike sie endlich einholte.
»Sam, Liebling...«, begann er.
»Sprich mich nicht an!« zischte sie. Und als er die Hand nach ihr ausstreckte und ihre Hand nehmen wollte, fauchte sie: »Und wage es nicht, mich anzufassen!«
»Warum bist du denn so wütend?« fragte Mike, neben ihr herlaufend.
»Da bemühe ich mich nun, einen guten Eindruck bei deiner Familie zu hinterlassen, und du ... du bringst es fertig, mich vor deiner ganzen Verwandtschaft lächerlich zu machen, indem du deinen Bruder dazu anstiftest, mich vor ihren Augen zu ... zu betätscheln! Wie konntest du mich nur so demütigen! Hast du denn nicht daran gedacht, wie ich mir jetzt vorkommen muß?«
»Nein«, erwiderte er, ein Grinsen unterdrückend. »Die Leute können uns nie auseinanderhalten. Ich glaubte, du würdest denken, Kane wäre ich.«
Sie blieb stehen und starrte ihn an. Irgendwann zwischen gestern und heute mußte jemand sein Gehirn gegen Stroh ausgetauscht haben.
»Sam - Kane und ich sind eineiige Zwillinge. Wir sind uns so unheimlich ähnlich, daß wir sogar das Muttermal an der gleichen Stelle haben und ...«
Samantha warf ihm einen Blick zu, der besagte: >Das kannst du einer anderen erzählen« und erkundigte sich dann in einem Ton, der ihn warnte, ihre
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