Jene Nacht im Fruehling
Hinterausgang aus dem Klub. Einen Moment lang - nur einen winzigen Augenblick lang - stand Maxie da und sah ihm nach, bis er in der Dunkelheit verschwunden war, ehe sie wieder in den Umkleideraum zurückging.
Aber sie betrat ihn nicht, weil Doc dort stand, und Doc hielt eine Pistole mit einer sehr großen Öffnung in der Hand. Ohne ein Wort zu sagen, gab er ihr damit das Zeichen, ihm in die Garderobe vorauszugehen.
Es wäre schwierig gewesen, Maxies Gefühle in diesem Moment zu beschreiben. Sie empfand kein Entsetzen, wie sie das zunächst erwartet hatte, nur eine dumpfe, schwere Leere in sich, weil sie wußte, daß ihr Leben nun zu Ende war. Ein Mann wie Doc würde sich niemals Hörner aufsetzen lassen, ohne den Übeltäter zu bestrafen, und sie hatte keinen Zweifel, daß er über sie und Michael Bescheid wußte. Vielleicht verdiente sie das auch, was er nun mit ihr vorhatte, denn sie war mit seinen Bedingungen einverstanden gewesen und hatte nun seine Gesetze gebrochen.
Schweigend ging sie vor ihm her in die Garderobe, und Doc sperrte die Tür hinter sich mit einem großen Schlüssel ab, von dessen Existenz sie gar nichts gewußt hatte. Sie wollte tapfer sein, wollte dem Tod mit erhobenem Kopf ins Auge sehen, drehte sich zu ihm um, dem grell beleuchteten Schminktisch den Rücken zuwendend, und sah zu, wie er sich ihr gegenüber auf einen Stuhl setzte.
»Wie hast du es herausgefunden?«
Mit einem kleinen Lächeln, das Maxie einen kalten Schauer über den Rücken jagte, zuckte er mit den Achseln. Er hatte offensichtlich nicht vor, sie darüber aufzuklären.
Er genießt das, dachte sie, ihn ansehend. Mein Gott, er weidet sich daran! Nichts im Leben bereitet ihm ein solches Vergnügen und einen solchen Nervenkitzel - kein Sex, kein Essen, keine Leute, die ihn lieben - als das: dieses Wissen, daß er jemanden töten wird, dieses Bewußtsein, die Gewalt über Tod und Leben eines anderen Menschen zu haben.
Da sie wußte, daß sie nun nichts mehr zu verlieren hatte, fragte sie: »Warum hast du Joe getötet?«
Wieder zuckte Doc nur mit den Achseln. »Er war zu ungeschickt, und er war mir nicht mehr nützlich.«
»Und ich bin dir auch nicht mehr nützlich?«
»Genau.«
Tief Luft holend, stützte sie, ihre Hände auf dem Rücken verschränkt, ihren Körper auf den Rand des Schminktisches. Sie fühlte, wie Joes Blut, mit dem sich ihr Kleid vom vollgesogen hatte, zu trocknen begann. Der Stoff wurde ekelerregend steif.
»Du solltest das jetzt besser hinter dich bringen. Die Nummer der Mädchen ist fast zu Ende, und sie werden in wenigen Sekunden hier sein.«
Docs Lächeln wurde breiter. »Nein, das werden sie nicht.«
Es war, als würde Maxie plötzlich alles Blut aus den Adern gesogen, und ihr erster Gedanke war Michael. Sie wußte nicht, was Doc geplant hatte, aber sie wußte, daß dieser Plan auch ihn einschloß.
Ohne zu überlegen, was sie tat, warf sie sich plötzlich auf ihn. Er war klein und schmächtig, aber er war auch kräftig, und er schlug ihr so hart mit dem Handrücken ins Gesicht, daß sie auf den Boden stürzte.
Langsam, mit schmerzendem Mund setzte sie sich auf. Das Blut floß ihr aus den Mundwinkeln. Sie sah ihn an. »Töte mich«, flüsterte sie. »Jetzt.«
Immer noch lächelnd, gab Doc mit sanfter Stimme zurück. »Noch nicht. Du wirst heute nacht mehr als einmal sterben.« Zuerst dachte Maxie, er meinte damit, daß er sie vorher foltern würde, aber im nächsten Moment hörte sie bereits die ersten Salven der Maschinenpistolen und die Schreie der Getroffenen. Von Panik ergriffen, da sie zuerst nicht begriff, was das zu bedeuten hatte, rannte sie zur Garderobentür in der Absicht, zu Michael zu eilen, doch die Tür war abgeschlossen. Sie riß einen Moment am Türknauf, zog verzweifelt daran, und drehte sich dann zu Doc um. »Gib mir den Schlüssel!« schrie sie ihn an und konnte ihre Worte kaum verstehen in dem Geknatter der Maschinenpistolen, das vom Klubraum herüberkam, und das begleitet war von den Schreien der getroffenen Frauen und Männer. »Wenn du auch nur einen Funken Mitleid in dir hast, gibst du mir den Schlüssel.«
Aber Doc blieb mit einem kleinen rätselhaften Lächeln still auf seinem Stuhl sitzen und beobachtete sie fasziniert, als wäre er ein Wissenschaftler, der ein interessantes Exemplar einer seltenen Tiergattung studierte.
Das Geknatter der Maschinenpistolen schien nicht enden zu wollen, während sie mit den Fingernägeln die Tür bearbeitete und dann mit einem lauten
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