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Jene Nacht im Fruehling

Titel: Jene Nacht im Fruehling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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Menschen, die sich da auf dem Boden wanden und krümmten, den Rücken zu, bewegte sich wie ein Automat zwischen den Sterbenden und Toten wieder auf den Korridor zum Hinterausgang zu und kehrte in die Garderobe zurück. Ohne auch nur einen Blick auf Doc zu werfen, der noch an der gleichen Stelle auf dem Boden lag, obwohl sie seine Augen spüren konnte, die sie überallhin verfolgten, holte sie ihre Tasche unter dem Kleiderhaufen in der Ecke hervor und die Tasche, die ihr Half Hand Joe anvertraut hatte. Irgendwo in ihrem Inneren war da etwas, das ihr sagte, sie sollte nun Docs Pistole aufheben und ihn erschießen, aber das konnte sie nicht. Sie wollte ihn nicht von seinem Leiden erlösen, wie man das bei einem geliebten Haustier machen würde. Sie wollte, daß er am Leben blieb und litt, wie sie nun leiden würde.
    Die Augen streng geradeaus gerichtet, ging sie aus der Garderobe und dann durch den Hinterausgang aus dem Klub.

36
    1991
    Samantha kam zu sich, als erwachte sie aus einer Hypnose, und mit einemmal war sie nicht mehr Maxie, sondern sie selbst. Und sie befand sich auch nicht mehr im Jahr 1928, sondern im Jahr 1991. Sie hatte angenommen, Mike würde jemandem die Rolle von Doc Barrett anvertrauen, aber das hatte er nicht getan, sondern dieser kleine, verschrumpelte Mann mit dem kleinen wisssenden Lächeln auf dem Gesicht, der da vor ihr im Rollstuhl saß, war Doc selbst. Und alles, was seither passiert war, hatte noch immer Bestand. Daran hatte sich in der Zwischenzeit nichts geändert.
    In der Nacht des 12. Mai 1928 hatte Maxie auf Doc geschossen, seine Wirbelsäule getroffen. Doch es war Doc gelungen, zwei Jahre lang die Tatsache zu verheimlichen, daß er ein querschnittsgelähmter Krüppel war, ehe er der Welt erzählte, er sei bei einem Autounfall verletzt worden. Maxie hatte ihn zum Krüppel gemacht und ihm das Geld weggenommen, das Half Hand, auf seine Anordnung hin, Scalpini gestohlen hatte. Doc, bereits von einem brennenden Haß auf sie erfüllt, weil sie es gewagt hatte, sich einen Liebhaber zu nehmen, machte es nun zu seiner Lebensaufgabe, sie aufzuspüren und töten zu lassen - und jeden, der etwas über sie wußte. Als er 1964 ein Foto von Maxie und ihrer Enkelin sah - von einer offensichtlich zufriedenen und glücklichen Maxie -, hätte er vor Wut fast einen Tobsuchtsanfall bekommen. Und deshalb hatte er den Fehler gemacht, sie anzurufen und ihr ihren Tod anzukündigen. Aber als der Killer, den er beauftragt hatte, sie umzubringen, in Louisville eintraf, hatte sie die Stadt bereits verlassen.
    Und 1975, als seine Macht bereits im Schwinden begriffen war, hatte er noch einmal einen Mann nach Louisville geschickt, der herausfinden sollte, ob Maxies Familie etwas wußte von Half Hands verschwundenem Geld -dem Geld, das ihm gehörte.
    Nun, wo ihr das alles bekannt war, befand sich Samantha dem Mann gegenüber, der dies alles auf seinem Gewissen hatte - und sie hielt eine Pistole in der Hand. Auf diese kurze Entfernung würde sie diesen Mann - ob die Waffe nun mit Platzpatronen oder scharfer Munition geladen war - unweigerlich töten, wenn sie abdrückte. Und hatte sie zuerst nur einen alten, gehunfähigen Mann in ihm gesehen, so sah sie nun den Verbrecher vor sich, der mit Maschinenpistolen unschuldige Frauen und Männer niedermähen ließ, nur um an einen einzigen Mann heranzukommen - ihn dafür zu >erledigen<, weil er es gewagt hatte, >sein< Mädchen zu schwängern. Sie sah vor sich den Verbrecher, der, um die Kontrolle über den illegalen Handel mit Whisky in seine Hand zu bekommen, seine eigenen Männer hatte niederschießen lassen und die Schuld an diesen Morden einem anderen Gangsterboß in die Schuhe schob.
    »Sie haben Half Hand getötet, der Sie mehr liebte als sein eigenes Leben«, flüsterte Samantha. »Sie haben jeden ermordet, der versuchte, Ihnen ein echtes Gefühl entgegenzubringen. War es das wert gewesen? Nun sitzen Sie vor mir, ein ungeliebter alter Mann, allein und einsam, und es gibt keinen Menschen auf der Welt, der Sie bedauern oder um Sie trauern würde. Sie haben sich mit Ihrer Habsucht selbst zum Krüppel gemacht. So viel Leid und Schmerzen des Geldes wegen - hat sich das gelohnt?«
    Da lachte er, als wäre sie ein dummes, einfältiges Kind. »Wie naiv Sie doch sind! Sie glauben, jeder wäre so wie Sie. Ja, das ist es wert gewesen. Ich habe mich in meinem Leben nicht eine Sekunde gelangweilt. Ich habe mir alles genommen, was ich haben wollte. Ich bin in jedem Spiel, das ich

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