Jene Nacht im Fruehling
versenkte, just in dem Moment, als sich Mike ebenfalls davon bediente.
»Wo war ich stehengeblieben?« fragte er, sich zurücklehnend und seinen Löffel ableckend, daß Samantha ihn beobachtete, sich fragte, ob er sich denn immer so ungeniert benahm. »Ach, ja. Bei dieser geplanten Biographie. Ich las alles, was Onkel Mike bislang recherchiert und aufgezeichnet hatte, und dabei erwachte mein Interesse für diesen Tony Barrett. Ich hatte gerade meinen Kurs an der Schule beendet und deshalb Zeit für andere Dinge. Und da dachte ich mir, ich könnte doch die Arbeit, die Onkel Mike angefangen hatte, zu Ende bringen. Ich beschloß also, nach New York zu ziehen und dort seine Nachforschungen fortzusetzen. Als ich Onkel Mikes Bücher in Kisten verpackte, fand ich den Aktenordner.«
Als er nichts mehr sagte, blickte Samantha ihn an. »Sollte mich das vielleicht faszinieren? Erwarten Sie von mir, daß ich frage: >Was für einen Aktenordner?<«
»Ich könnte mir, zugegebenermaßen, ein bißchen Interesse Ihrerseits durchaus vorstellen. Aber wie ich sehe, wird mir dieses nicht zuteil werden.« Er nahm sich wieder einen Löffel voll von der Mousse. »Der Ordner trug die simple Aufschrift >Maxie< und enthielt ein Pressefoto von Ihnen, Ihrer Großmutter und ihrem Hund.«
Samantha legte den Löffel so heftig aus der Hand, daß es schepperte. »Meine Großmutter rannte ihrem Mann weg, als ich acht Monate alt war. Es existiert kein Foto von uns beiden.
Sich auf einen Ellenbogen stützend, blickte er sie ein-dringlich an, als versuchte er, ihr eine stumme Botschaft zu übermitteln.
»Oh«, sagte Samantha, »dieses Foto.« Sie hatte eine Weile dazu gebraucht, sich daran zu erinnern - nicht an den Anlaß als solchen, aber ihr Großvater hatte ihr später erzählt, was passiert war. »Brownie«, sagte sie. »Ich hielt mich bei meiner Großmutter auf und kroch in ein Abflußrohr in einem Graben hinter dem Haus.«
»Und Sie blieben darin stecken, so daß Ihre Großmutter die Feuerwehr zu Hilfe rief.«
»Ein Reporter, der sich auf der Suche nach einer Story zufällig in der Station befand, begleitete die Feuerwehrmänner. Aber es war Brownie, der mich rettete.«
»Ihr Hund kroch in das Rohr hinein, packte mit den Zähnen Ihr bereits nasses Windelpaket und zog sie an dem Windelhöschen aus dem Rohr heraus. Der Reporter machte eine Aufnahme von Ihnen, Ihrer Großmutter und dem Hund Brownie. Dann griffen die Nachrichtenagenturen die Story auf und schickten sie samt Foto an alle Zeitungsredaktionen des Landes, so daß mein Onkel Michael Ransome beides eines Tages, wie auch die Zeitungsleser der restlichen Welt, mit der Morgenausgabe auf den Tisch bekam. Onkel Mike schnitt das Foto aus und schrieb >Maxie< an dessen Rand. In seinen Aufzeichnungen kommt dieser Name fast auf jeder Seite vor.« Mike sah auf und blickte Samantha prüfend an. »Maxie war Barretts Mätresse.«
Als Samantha bei dieser Neuigkeit nicht sofort aus der Haut fuhr, wie er sich das erhofft hatte, lehnte er sich gegen den Fußteil des Bettes zurück und verschränkte die Hände im Nacken. »Ich glaube, Maxie und Ihre Großmutter sind ein und dieselbe Person.«
Als Samantha nichts darauf sagte, sondern fortfuhr, ihr Dessert zu verzehren, als habe es nie eine Maxie gegeben, blickte er sie prüfend an. Sie sah schon wieder schläfrig aus. »Nun?« fragte er ungeduldig.
Sie stellte die leere Dessertschüssel auf das Tablett. »Sind Sie fertig?« fragte sie. »Haben Sie alles gesagt, was Sie mir sagen wollten? Sie denken, meine Großmutter sei die Mätresse dieses Gangsters gewesen? Okay, sie haben es gesagt, und nun gehen Sie.«
Er war einen Moment lang sprachlos. »Sie haben keine Meinung dazu?«
»Ich habe eine Meinung von Ihnen«, erwiderte sie leise. »Sie haben zu viele von diesen Gangsterbüchern gelesen. Ich kannte meine Großmutter kaum, aber sie war eine ganz normale Großmutter, die kochte, Kuchen backte und was sonst noch alles dazugehört. Und ihr Name war Gertrude. Sie war kein Gangsterliebchen - so nennt man solche Mätressen wohl, wie?« Sie hob die Hand, als er sie unterbrechen wollte. »Und falls doch - was spielt das jetzt noch für eine Rolle? Und würden Sie jetzt bitte gehen?«
Er rollte sich auf eine Seite und meinte stirnrunzelnd: »Es spielt eine Rolle, weil ich glaube, daß Ihre Großmutter in Barrett verliebt war und ihm ein Kind schenkte. Tony Barrett könnte Ihr wahrer Großvater sein.«
Darauf stellte Samantha sehr langsam, sehr behutsam
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