Jene Nacht im Fruehling
Stirn, weil sie Mike nichts von ihren Einkäufen zeigen wollte. Sie hatte inzwischen fast vergessen, daß er überhaupt existierte. Vicky hatte ihr erklärt, daß für sie ein Kreditkonto im Hause eingerichtet und sie Vicky, dafür sorgen würde, daß Samantha die Kosten für die Kleider in bequemen Monatsraten abzahlen könne. Und um es Samantha zu ermöglichen, sich mit einer kompletten neuen Garderobe auszustatten, würde sie, Vicky, ihr Konto so lange mit den Kosten von Samanthas Anschaffungen belasten, bis man Samantha eine Kreditkarte ausgestellt habe. Warum mußte sie also diesem Mann ihre neuen Kleider vorführen, fragte sich Samantha, wenn sie diese selbst bezahlte?
Vicky konnte nicht verstehen, warum Samantha sich offensichtlich dagegen sträubte, sich vor Mike in ihren neuen Sachen zu zeigen. Denn als sie die beiden zum erstenmal zusammen sah, hatte Samantha sich an Mike geklammert wie an einen Rettungsring.
»Ich glaube, er möchte Sie zu gern in Ihren neuen Kleidern sehen«, versuchte Vicky auf eine behutsamere Art zu überreden, sich Mike in dem neuen Kostüm zu zeigen, und bereute jetzt ein bißchen, daß sie eine so umständliche Lüge erfunden hatte, damit Samantha nicht erfuhr, wer in Wahrheit die Rechnung bezahlte.
Zögernd und mit erheblichen inneren Vorbehalten fand sich Samantha nun bereit, das Ankleidezimmer zu verlassen. Mike hatte es sich inzwischen auf einem hübschen pinkfarbenem Sofa bequem gemacht und las bei einer Tasse Tee, mit der ihn offenbar eine Verkäuferin versorgt hatte, die Zeitung. Er sah so zufrieden aus, als gehörte ihm das Kaufhaus, und schien sich unter den vielen Frauen und den sehr weiblichen Wäschestücken genauso heimisch zu fühlen wie damals in seiner Turnhose und dem zerrissenen T-Shirt unter seinen rüpelhaften Bolzbrüdern vom Fußballplatz.
Samantha erinnerte sich nur zu lebhaft daran, wie gleichgültig ihrem Vater und ihrem Ehemann ihre Garderobe gewesen war. Ihr Ehemann hatte lediglich darauf Wert gelegt, daß sie etwas Sauberes, Ordentliches, möglichst Hochgeschlossenes trug. Alles was darüber hinausging, hatte ihn nicht interessiert. Ihr Vater hatte keinen Unterschied zwischen seiner Tochter in hochhackigen Schuhen und Hosenanzug und seiner Tochter in Jeans und Pullover entdecken können. Und deshalb wollte sie sich auch vor Mike nicht in diesem neuen Kostüm zeigen.
Aber Mike war es offenbar keineswegs gleichgültig, was sie anhatte. Sie war noch keine zwei Schritte weit gekommen, als er von seiner Zeitung aufsah, diese weglegte, sich von seinem Platz erhob, auf sie zuging, sie bei der Hand nahm und im Kreis herumdrehte. Dann betrachtete er sie von allen Seiten, studierte die Paßform, den Schnitt und die Farbe des Kostüms und meinte schließlich, zu Vicky gewandt: »Ja, das steht ihr.«
Samantha hatte nun Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken. Es waren nicht so sehr die Worte, sondern die Art, wie er ihr ein Kompliment machte, als wäre sie eine Schönheit und er ein Richter, der darüber zu befinden hatte, ob die Kleider, die sie kaufen wollte, es auch verdienten, von ihr getragen zu werden. Aber als sie sich umdrehte und Vicky wieder in das Ankleidezimmer folgen wollte, faßte Mike sie an der Schulter.
»Wenn Sie noch einmal Ihr Haar verstecken, werde ich böse«, sagte er und küßte sie, sein Gesicht an ihren Hals legend, aufs Ohr.
Blutrot vor Verlegenheit, suchte sie das Weite. Doch das Kribbeln, das sie im Nacken spürte, war keineswegs unangenehm. Und nach einer Stunde fand sie gar nichts mehr dabei, sich in jedem Kleid, das sie anprobierte, auch Mike zu präsentieren.
Entgegen ihrem ersten Eindruck, daß er die Eigenschaft habe, seine Umgebung total vergessen zu können, war er ein sehr genauer und aufmerksamer Beobachter weiblicher Garderobe, und sie lernte rasch, ihm zu vertrauen. »Nein, dieses Jackett ist zu lang für Sie«, erklärte er einmal im vollen Emst, »das verdeckt Ihr Hinterteil.«
»Das ist doch kein Grund, ein Kleidungsstück abzulehnen«, erwiderte Samantha gereizt, doch er schüttelte nur den Kopf und brummelte etwas, das sie nicht verstehen konnte. Samantha beschloß, das Jackett zu kaufen und es so oft wie möglich zu tragen, aber als Vicky sie dann im Ankleidezimmer fragte, ob sie es nehmen wolle, zögerte Samantha und sagte schließlich nein.
Und schließlich ging ihr Vertrauen zu seinem Geschmack sogar soweit, daß sie ja sagte zu allem, was Mike gefiel, und nein zu den Sachen, die ihm nicht gefielen.
Um
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