Jennerwein
verächtlich den Bauernbrotranken. »Aber gerecht ist das nicht«, murmelte er zuletzt. »Ist nicht gerecht, gar nicht!«
»Weiter jetzt!« drängte die Marei. »Ob’s gerecht ist oder nicht, wir haben immer noch gut zwei Stunden bis Gelang!« Damit nahm sie erneut das Leitseil auf, ließ die beiden Kühe anziehen, und nachdem deren Trott wieder rhythmisch geworden war, vergaß die Mutter des Bankerts allmählich den unguten Zwischenfall und dachte wieder vorwärts: an das Sachl zu Gelting und an den Geißler, der darauf saß; ihren Bräutigam. Im späten Frühjahr war es gewesen, da war Maria die sieben Wegstunden in den Wolfratshausener Bezirk schon einmal gelaufen. Der Hochzeitsschmuser aus Großhartpenning hatte sie hingebracht, hatte ihr unterwegs viel von dem schönen Gütl an der Loisach vorgeschwärmt. Von den drei Kühen und der Kalbin im Stall hatte er berichtet; von der Muttersau auch, die im letzten Jahr siebzehn Ferkel gebracht hatte. Einen Roggen- und einen Weizenacker gebe es, dazu etliche Bifang {18} Kartoffeln. Jenseits des Flusses habe der Geißler auch das Holzrecht an gut dreieinhalb Tagwerk {19} Auwald. Freilich sei eine geringfügige Hypothek auf dem Häusl, doch gerade das mache die Sache für die Haiderin so interessant. Mit ihrem Geld könne sie sich sozusagen für die Ewigkeit einkaufen in das Sachl, könne ein grundsolides Recht darauf erwerben, über den Trauschein hinaus. Sei das Anwesen dann erst schuldenfrei, sitze sie mit ihrem Buben und der Mutter auf immer abgesichert unter einem anständigen Dach. Ihr Girgl habe auch ein Erbrecht dann, ebenso wie der Hans, der dreizehnjährige Sohn vom Geißler…
Nachdem er damit einmal mehr auf den Heiratswilligen zu sprechen gekommen war, hatte der Schmuser aufgesetzt mitleidig zu lamentieren begonnen: Daß es schon wirklich eine Schande sei, was für ein Unglück der Geißler bisher im Leben gehabt habe! Daß ausgerechnet einem solch grundanständigen Menschen das Weib im zweiten Kindbett wegsterben müsse – und das zu früh geborene Balg, ein Mädchen sei es gewesen, dazu! Daß der Geißler es aber getragen habe wie ein gottesfürchtiger Christ. Daß er sich durchgefrettet habe, beinahe zwei Jahre lang, bloß den halbwüchsigen Hans an der Seite; eine Last, keine Hilfe, wenn man es genaunehme. Daß er geschinakelt {20} habe auf den Äckern und im Wald, von früh bis spät. Keinen Rock habe er angeschaut, die ganze Zeit über, habe sich immer bloß um das Sachl und den Buben gekümmert! In der Kirche, jeden Sonntag zweimal, habe er die Kraft dazu gefunden!
Ob sich die Marei denn überhaupt einen besseren Mann vorstellen könne, hatte der Großhartpenninger dann abschließend gefragt; hatte dabei gegen sie hingelurt wie beschwörend. Und die Endzwanzigerin hatte genickt, hatte sich im Weitergehen das zukünftige Leben an der Seite des Geißler schon einmal ein bißchen auszumalen versucht.
Unter der Haustür des Gütls dann, am Geltinger Dorfrand, war er ihr zuerst doch arg schäbig vorgekommen. Auch ein gutes Stück zu alt, denn der Witwer stand bereits weit in den Vierzigern. Spät in die erste Ehe gekommen war der Geißler offenbar; weil er eben nicht gerade der Ansehnlichste war, hatte die Marei insgeheim vermutet – vielleicht aber hatten die Eltern ihm das Anwesen auch nicht zeitig genug übergeben. Gerade die genannten Mängel jedoch hatten sie nach dem zweiten Blick zu ihm hingezogen. Irgendwo war der Einschichtige durchaus einer wie sie. Hatte es auch nicht einfach gehabt im Leben, war ebenfalls derb gebeutelt worden. Flüchtig hatte die Marei noch einmal an den anderen mit der Spielhahnfeder am Hut gedacht, dann hatte sie dem Geißler die Hand gegeben, hatte sich um Freundlichkeit ihm gegenüber bemüht.
Den Hans hatte sie kennengelernt, einen stillen, etwas verhockten Burschen; die Augen eine Spur zu müde für sein Alter. Ganz nahe beim Vater hatte der Dreizehnjährige im Herrgottswinkel unterm Kreuz gesessen, als sie den Milchkaffee getrunken und die Schmalznudeln gegessen hatten. Verstohlen hatte die Haiderin den Dunklen mit dem eigenen Sohn verglichen. Hatte sich gefragt, ob die beiden denn zusammenpassen würden. Hatte sich selber keine Antwort geben können, zumindest jetzt noch nicht; hatte sich daraufhin innerlich wieder dem Geißler selbst zugewandt. Im Lauf des Nachmittags dann waren sie sich, wenn auch zögerlich, ein gutes Stück nähergekommen. Vernünftige Sachen hatte der Witwer zu sagen gewußt; ein
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