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Jennerwein

Jennerwein

Titel: Jennerwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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brachte Österreich die schleswig-holsteinische Frage noch einmal und in schärferer Form vor den Bundestag. Im Gegenzug erklärte Preußen den Deutschen Bund für nicht kompetent und beantragte den Ausschluß Österreichs. Selbst den dümmsten Duodezfürsten wurde allmählich klar, daß Hohenzollern den Krieg mit Gewalt wollte. Der Bundestag reagierte jetzt rigide und beschloß die Mobilmachung seiner sämtlichen Heere gegen Preußen. Bismarck brach das Hohenzollernreich aus dem deutschen Stückelwerk heraus, erklärte den Austritt aus dem Deutschen Bund. Am 15. Juni 1866 war der Krieg da. Bayern, Österreich und Preußen trugen das Metzeln mehr oder weniger unter sich aus. König Ludwig II. seit März 1864 in der Nachfolge seines verstorbenen Vaters Maximilian, sah sich dabei in der sogenannten Waffenbruderschaft mit seinem Wiener Vetter.
    Die Niederlage der Süddeutschen, denen Hannoveraner, Kurhessen und Sachsen eher zögerlich zur Seite standen, kam schnell. In Eilmärschen rückten die Preußen nach Böhmen vor. Stellten sich am 3. Juli den Österreichern zur Schlacht bei Königgrätz. Besiegten sie und stürmten weiter bis zum Main. Stuckernd feuerten die Wittelsbachischen bei Roßbach, Hammelburg und Kissingen aus ihren veralteten Vorderladern. Die Hohenzollerischen besaßen seit kurzem Hinterlader und schossen infolgedessen dreimal so schnell. Jämmerlich verprügelt wurden die Bayern und gebaren in ihren verschwollenen Schädeln den Preußenhaß. Die hohenzollerischen Truppen besetzten Bayreuth am 28. Juli, Nürnberg am 1. August. Am folgenden Tag sah sich Ludwig II. zum Waffenstillstand gezwungen, wenig später zur Kapitulation. Dreißig Millionen Gulden Reparationszahlungen wurden mit Preußen vereinbart. Auch bayerische Territorien gingen verloren; außerdem mußte sich der König in einem Geheimvertrag verpflichten, in einem künftigen Kriegsfall mit seinen Truppen den Hohenzollern Schützenhilfe zu leisten. Besiegelt war damit der unaufhaltsame Aufstieg Preußens, das nächste Metzeln bereits vorprogrammiert.
     
    *
     
    Während bei Königgrätz, Roßbach, Hammelburg und Kissingen die Kanonen- und Gewehrschüsse raunzten, ließ auch Georg Jennerwein es ausufernder denn je krachen. Der Holzknecht und Wildschütz profitierte vom Krieg. Die Jäger aus den Tegernseer und Schlierseer Revieren standen jetzt zumeist an der Front, so gehörten die Wälder und das Wild dem mit der Spielhahnfeder. Nie hatte der Girgl so prächtige Strecken zusammengebracht wie jetzt. Die Arbeitskameraden, die Gastwirte auch, rissen sich um seine Gesellschaft, spendierten ihm Freibier und ließen die Goldfüchse springen. Lediglich ein einziger, scheinbar unbedeutender Zwischenfall trübte ihm die hohe renegatische Zeit ein.
    Auf dem Holzplatz tauchte einer auf, der nannte sich Johann Pföderl. Etwa im gleichen Alter wie Georg Jennerwein stand er, wirkte aber im Gegensatz zum Schiefzähnigen kriecherisch, angepaßt, obrigkeitshörig. Hatte, zumindest andeutungsweise, trotz seiner Jugend schon einen krummen Buckel. Hatte sich die Arbeit zu verschaffen gewußt auf väterliche Empfehlung hin, wie er betonte. Sein Erzeuger, so setzte er gleich am ersten Abend in der Baracke hinzu, sei mit dem Revierförster vom Tegernsee gut bekannt.
    Ein Wunder war es nicht, daß der Girgl spätestens da deutlich von ihm abrückte. Auch sonst machte sich zwischen den Stockbetten ein ungutes Schweigen breit. In der folgenden Nacht dann, als der Mond gschwollschädelig über der Baumgartenschneid protzte, juckte den Jennerwein einmal mehr das Fell. Der Pföderl lurte ihm tückisch nach, als er dem Windbruch zu verschwand, wo er beim letzten Mal den Stutzen versteckt hatte. Im Morgengrauen tauchte er mit dem Bock auf dem Buckel in Tegernsee auf. Er schlug das Wildpret beim Kirchenwirt los, kehrte auf den Holzplatz zurück; gerade als die anderen aus der Baracke drängten. Ein paar zwinkerten ihm wissend zu, aber dann war plötzlich der Pföderl da und hatte auch schon das eingetrocknete Blut am Rucksack bemerkt.
    Dem Girgl schnalzte jäh die Erinnerung zurück nach Gelting. Auch in den Augen des Geißler, des Hans hatte damals so oft dieses Anklägerische, dieses Selbstgerechte gelegen. Dieses scheinheilig Fromme und Gieren nach Bestrafung, nach Sündenbuße dazu. Jetzt erkannte er es wieder unter den dunklen Brauen des Johann Pföderl, vermeinte er zu sehen, wie dessen Fratze und die der Geltinger sich ineinander verwoben, verschlierten – und dann

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