jennissimo (German Edition)
„Ja. Wozu hat man denn Geschwister?“
Serenity seufzte. „Ich wünschte, du wärst bei uns aufgewachsen! Wir haben dich so sehr vermisst und immerzu über dich gesprochen, weil wir wollten, dass du für Wolf und Dragon eine reale Person bist.“ Sie hielt inne, ihre grünen Augen funkelten. „Wir haben jedes Jahr deinen Geburtstag gefeiert.“
Das ist nun wirklich gruselig, fand Jenna. „Aber du hast nie Kontakt mit mir aufgenommen. Warum? Du wusstest doch, wo meine Eltern waren.“
Serenity zuckte bei dem Wort „Eltern“ leicht zusammen, und Jenna fühlte sich zugleich schuldig und wütend. Beth und Marshall waren schließlich ihre Eltern! Serenity hätte sie eben nicht zur Adoption freigeben dürfen, wenn ihr das nicht passte. Es war fast so, als wollte sie alles haben – das Leben so, wie es heute war, und gleichzeitig eine veränderte Vergangenheit.
„Warum jetzt?“
„Es gibt Dinge im Leben, die man erst im Nachhinein versteht“, antwortete Serenity ruhig. „Das Wissen kommt mit der Zeit.“
„Was soll das bedeuten?“
„Ich dachte immer, dass du zu uns kommen solltest. Und dann war alles anders, und wir kamen zu dir.“
Sie wirkte so klar, so überzeugt.
Jenna wollte darüber diskutieren, wusste aber, dass es keinen Sinn hatte. Dieses Gespräch erinnerte sie an den gestrigen Tag, als sie Jasmine gefragt hatte, ob sie das Geschlecht ihres Kindes schon wüsste.
„Wir bekommen einen Jungen, das hat Serenity uns gesagt.“Jasmine sprach mit derselben ruhigen Überzeugung wie ihre Schwiegermutter.
„Hast du denn keinen Ultraschall machen lassen?“, fragte Jenna.
„Aber nein. Serenity weiß solche Dinge.“
Jenna wollte einfach nicht daran glauben, dass ihre leibliche Mutter übersinnliche Fähigkeiten besaß, aber spielte das überhaupt eine Rolle? Hier war das Leben irgendwie anders. Vielleicht sollte sie langsam mal aufhören, dagegen anzukämpfen, und es einfach akzeptieren. Akzeptieren, dass auch sie zu dieser Familie gehörte.
„Ich war mir nie sicher, ob Beth und Marshall die richtigen Eltern für dich sind“, sagte Serenity auf einmal. „Meine Eltern haben sie ausgewählt, weil ich mich nicht entscheiden konnte. Ich schätze, ich wollte dich einfach behalten. Tom und ich wollten zusammen weglaufen, aber wir waren so jung und nicht besonders mutig. Aber ja, ich denke, dass es für dich und für uns das Beste gewesen wäre.“
Jenna sprang wütend auf. Wie konnte Serenity es wagen, ihre Eltern so herabzusetzen? Beth und Marshall, die sie immer geliebt und ihr das Gefühl gegeben hatte, etwas ganz Besonderes zu sein?
Die Uhr am Backofen piepste.
Dankbar durchquerte Jenna die Küche, zog das Blech mit den Muffins heraus und schüttelte den Kopf. Es war besser, sich nicht aufzuregen. Sonst würde sie noch Dinge sagen, die sie vielleicht hinterher bereute.
Beth hätte ihr jetzt bestimmt erklärt, dass Serenity einfach glauben musste, was sie sagte, um ertragen zu können, was sie getan hatte. Ein Kind aufzugeben war schwer genug, egal, unter welchen Umständen. Doch Serenitys Entscheidung war im Rückblick noch schwerwiegender gewesen, da sie den Vater ihres Kindes geheiratet hatte und somit wusste, dass sie es gemeinsam hätten schaffen können.
Beth würde sie bitten, verständnisvoll zu sein, und sie daranerinnern, dass sie in nur achtundvierzig Stunden sowieso wieder ins Flugzeug steigen und in ihr normales Leben zurückkehren würde.
Sie trug das Blech mit den Muffins zum Tisch. „Was denkst du?“
Serenity berührte einen Muffin. „Perfekt!“
Jenna stellte das Blech ab und schob ein zweites in den Backofen. An die Arbeitsplatte gelehnt überkam sie auf einmal eine schreckliche Sehnsucht nach ihrer Mutter. Beth hätten das Haus und das Weingut gefallen. Angesichts der handgewebten Windeln wären ihr zwar die Augen aus dem Kopf gefallen, doch gesagt hätte sie nichts.
Jenna hätte sie am liebsten angerufen. In den letzten Wochen war sie viel zu beschäftigt gewesen, um ihrer Mutter zu sagen, wie sehr sie sie liebte.
Das Telefon klingelte. Wenige Sekunden später kam Tom in die Küche.
„Jenna, es ist Beth.“ Er reichte ihr den Hörer.
Vielleicht hört das Universum manchmal tatsächlich zu, dachte Jenna lächelnd.
„Hi, Mom.“
„Oh, Jenna! Tut mir leid, dass ich störe.“ Beths Stimme zitterte.
„Was ist denn los?“
„Es geht um Violet. Ich wusste nicht, ob ich dich anrufen soll oder nicht. Sie bat mich, noch zu warten, aber ich war mir einfach
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