jennissimo (German Edition)
schnell gelang, alle in seinen Bann zu ziehen. Er war das kompletteGegenteil von ihr. Sie fand ihn faszinierend und fühlte sich geschmeichelt, als er mit ihr ausgehen wollte.
Sie sprachen fast nur über ihren Beruf – übers Kochen und wie sie ihre Rezepte entwickelten. Sie glaubte nicht, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte, und hatte auch keine Ahnung, was sie selbst empfand, deswegen war sie höchst überrascht, als sie an diesem Abend in seinem Bett landete. Von diesem Moment an waren sie zusammen. Ein Paar. Und lange Zeit war sie tatsächlich fasziniert von ihm. Irgendwann hatte sie zwar kapiert, dass bei ihm alles mehr Schein als Sein war, doch hatte sie das nicht für einen ausreichenden Grund gehalten, eine Ehe zu beenden.
Jenna blieb auf dem Gehsteig stehen und betrachtete die vielen Pärchen. Sie hatte sich immer so etwas wie das gewünscht, was ihre Eltern hatten. Die einzige wahre Liebe zu finden. Gut, das klang wie aus einem Märchen, aber sie wusste ja, dass es sie gab. Sie war mit zwei Menschen aufgewachsen, die sich wirklich liebten.
Ihre Eltern hatten sich an Beths erstem Tag am College kennengelernt. Ein Blick hatte gereicht, um sich Hals über Kopf ineinander zu verlieben. Da Beth damals schon wusste, dass sie keine Kinder haben konnte, hatte sie Marshalls Avancen zunächst abgeschmettert. Lächelnd ging Jenna weiter. Genauso hatte ihre Mutter es ausgedrückt. „Marshalls Avancen“.
Sie konnte sich gut vorstellen, wie ihr attraktiver Vater dem Mädchen seiner Träume hinterhergelaufen war. Er war es nicht gewohnt, einen Korb zu bekommen. Innerhalb eines Jahres waren sie verlobt, im Sommer darauf, als Marshall mit dem Studium fertig war, wurde geheiratet. Und im Herbst sahen sie sich bereits nach einem Baby um, das sie adoptieren konnten. Jenna kam im folgenden Frühjahr in ihr Leben.
Einfach perfekt, dachte sie, glücklich darüber, dass sie ein Teil dieses Bilderbuchlebens geworden war. Aus irgendeinem Grund hatte sie selbst es nicht geschafft, so eine Beziehung zu führen. Obwohl Aaron sich anfangs richtig angestrengt hatte, hatte sie nie das Gefühl gehabt, die Liebe seines Lebens zu sein. Genauso wenig, wie er die Liebe ihres Lebens war. Trotzdemhatte sie nicht damit gerechnet, dass sie eines Tages als geschiedene kinderlose Frau dastehen würde. Wie war sie nur auf diesen falschen Weg geraten?
Der Laden war eine einzige Katastrophe, anders konnte man es nicht nennen. Sie hatte einfach nicht genügend Erfahrung für den Einzelhandel. Klug zu sein und hart arbeiten zu können reichte offenbar nicht aus.
Die Kochdemonstration war ebenfalls ein Desaster gewesen. Sie musste an die gelangweilten Gesichter ihrer Zuschauer denken. Violet hatte recht. Die Leute wollten beim Kochen mitmachen. Sie wollten sich die Hände schmutzig machen. Spaß haben, so wie in dem Handarbeitsladen, wo sie zusammen um einen Tisch herumsaßen und strickten. Da stand keine Lehrerin vorne und machte ihnen vor, wie es ging. Sie lernten, indem sie es selbst ausprobierten.
Auch Violets Vorschlag, Zutaten und Küchengeräte zu verkaufen, die mit ihren Kochkursen zu tun hatten, war sinnvoll. Angenommen, es würde doch mal ein Kunde bis zum Ende ihrer Vorstellung bleiben – er würde danach einfach verschwinden. Es gab für ihn keinen Anreiz, etwas zu kaufen; selbst wenn sie ab und zu zeigte, wie man bestimmte Geräte benutzte, würde das nicht ausreichen. Sie brauchten ein Produkt, das die Kunden regelmäßig kaufen würden. Etwas, das sie mochten und das ihnen das Leben leichter machte. Die meisten Leute waren nun mal nicht erpicht darauf, mehr als einen Mixer zu besitzen.
Wenn sie erfolgreich sein wollte, dann musste sie ihre Vorstellungen komplett umkrempeln. Es durfte nicht darum gehen, den Leuten das Kochen zu erklären, sondern darum, einen Ort zu schaffen, an dem sie sich wohlfühlten. Einen Ort, an dem Menschen sich gern aufhielten.
Und während sie diese ganzen Veränderungen an ihrem Laden vornahm, konnte sie ja auch gleich mal einen genaueren Blick auf sich selbst werfen. Und dafür sorgen, dass ihr zumindest die Arbeit Spaß machte, vielleicht sogar ihr Leben. Darum ging es doch schließlich, oder nicht?
4. KAPITEL
V iolet kam wie immer um halb zehn. Der Laden öffnete um zehn, somit hatte sie noch eine halbe Stunde Zeit, alles vorzubereiten. Sie kümmerte sich darum, dass sie genug Bargeld hatten, auch wenn das in einem Laden, in dem so gut wie nichts verkauft wurde, nicht besonders wichtig war.
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