Jenny heftig in Noeten
heraus, dass Cara nicht etwa mit Eltern, die schwarz Schnaps brannten, in einer Assi-Wohnwagensiedlung wohnte, wie böse Zungen behaupteten. Nein, die Schlosburgs wohnten ganz normal in einem blaugrauen, zweistöckigen Einfamilienhaus mit weißen Verzierungen im Pfefferkuchenstil und Geranientöpfen in der Einfahrt.
Mrs Schlosburg erwartete uns an der Tür mit einem Teller noch ofenwarmer Schokoplätzchen (anscheinend hatte Cara mich telefonisch angekündigt). Sie war eine attraktive, elegant gekleidete Frau (und keine kettenrauchende, zahnlose Vettel, wie gelästert wurde), die unglaublich gastfreundlich war. Eigentlich hätte ich es mir denken können – immerhin geht sie in denselben Gymnastikkurs wie meine Mutter. Sie fragte mich mehrmals, ob ich noch irgendwelche Wünsche hätte, und lud mich herzlich ein, bis zum Abendessen dazubleiben.
Ich war nicht überrascht, dass sie mich mit so offenen Armen bei sich aufnahm. Mädchen vom Typ Nettes-Mädchen-von-Nebenan sind bei Eltern immer beliebt. Schlimm, aber wahr.
Allerdings hatte Mrs Schlosburg keine Ahnung, dass sie es eben nicht mit dem Typ Nettes-Mädchen-von-Nebenan zu tun hatte. Oh nein!
Als Cara mir ihr Zimmer zeigte – das genau so prinzessinnenhaft eingerichtet war wie mein eigenes –, riss ich als Erstes ihren Kleiderschrank auf und zerrte sämtliche Caprihosen heraus, die ich entdecken konnte.
»Was machst du denn da?«, fragte Cara interessiert.
»Ich hab dir doch mal gesagt, du sollst du selbst sein«, sagte ich. »Du hast darauf gesagt, du wüsstest nicht, wer du bist. Deshalb werde ich es dir heute zeigen. Geh und wasch dir die Haare.«
Cara sah mich an. »Aber…«
»Ab in die Dusche.«
»Aber…«
»Mach schon!«
Zu meiner Überraschung gehorchte Cara. Eines musste ich Luke, dem Undurchschaubaren, lassen: Er hatte mich umgekehrt echt gut durchschaut. Ich besitze tatsächlich natürliche Autorität. Anscheinend liegt sie mir im Blut.
Ich durchsuchte immer noch Caras Kleiderschrank und futterte dabei die Kekse, die Mrs Schlosburg mir gebracht hatte, als Cara mit feuchten Locken und einem Handtuch auf dem Kopf aus dem Bad wiederkehrte.
Sie sah erst mich und dann den anwachsenden Berg von Klamotten vor dem Bett an.
»Was machst du da?«, wollte sie wissen.
»Die kannst du in die Schule anziehen.« Ich zeigte auf die Sachen, die ich im Schrank hängen gelassen hatte. Mom würde sie als »Klassiker« bezeichnen – Blusen, ein Jeansrock, ein paar Pullis, diverse Hosen (aber nur in dezenten Farben), schwarze Jeans, ein Paar Nikes, Clogs, süße Plateausandalen und ein paar knielange Röcke.
»Und die da…«, ich zeigte auf den Berg Caprihosen, Miniröcke, Haltertops, Cargo- und Hüfthosen (»Trendmode«, wie Mom sagen würde), »solltest du lieber irgendeiner Hilfsorganisation spenden. Ich weiß schon, dass Courtney und ihre Freundinnen solche Sachen anziehen, aber nur, weil etwas gerade in Mode ist, siehst du darin nicht auch automatisch gut aus. Entscheidend ist aber, ob du gut aussiehst – nicht, ob du trendig aussiehst.«
Cara starrte mich an. »Ist das nicht dasselbe?«
Ich seufzte. Vor uns lag noch ein langer Weg.
Als Nächstes nahm ich mir Caras Haare vor. Trina färbt sich ständig die Haare neu, sodass ich wusste, was ein bisschen Mousse und ein paar Strähnchen bewirken können. Da Cara sich nicht entscheiden konnte, beschloss ich, ihre Haare rot zu färben. Nicht knallrot, nichts zu Auffälliges, sondern in einem warmen, interessanten Mahagoniton wie die Haare von Mary-Jane aus »Spiderman«.
Natürlich hatte ich mich nicht nur mit Kosmetikprodukten bewaffnet. Ich wusste, dass Cara mit einer Typberatung allein noch nicht geholfen war, und hatte deshalb auch einige meiner Lieblingsbücher und DVDs mitgebracht, unter anderem die aktuelleren Staffeln von »Buffy«. Caras größtes Problem schien mir zu sein, dass sie nicht gerade eine interessante Gesprächspartnerin war. Klar, die Leute, in deren Dunstkreis sie sich aufhielt (nicht dass sie je mit ihr gesprochen hätten), waren Mädchen vom Schlage Courtney Deckard, und die redeten nun mal mehr über Dinge wie Après-Sun-Lotionen oder die neueste Diät als über Ideen. Langweilig.
Ich wollte versuchen, nicht nur Caras Äußeres zu verschönern, sondern auch ihren Horizont zu erweitern. Nur ein kleines bisschen. Damit sie in Zukunft Gesprächsstoff hatte, abgesehen von ihrer Diät, meine ich.
Nach viel Mousse, etwas Volumenhaarspray, dezentem Eyeliner (im Gegensatz zur
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