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Jenny und der neue Vater

Jenny und der neue Vater

Titel: Jenny und der neue Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Martach
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schlagartig. Julian hatte seinen Platz als Anführer nicht deswegen, weil er zartbesaitet war. Doch irgendetwas war an Jenny, das ihn seltsam berührte und verhinderte, dass er sich so schlecht wie sonst benahm.
    „Du meinst also, ich habe keine Ahnung? Aber ich habe doch auch ein Haustier.“
    „Ja, eine Schmeißfliege!“, rief einer der anderen. Julian ballte die Faust in seine Richtung.
    „Weißt du, genau das meine ich“, erklärte Jenny in vertraulichen Ton. „Was hast du eigentlich davon, wenn du den anderen drohst? Vielleicht bist du ja stärker, kann ja sein. Aber mir kann nur ein Junge imponieren, der klüger ist als andere.“
    Wieder wirkte Julian verblüfft. „Wer hat denn gesagt, dass ich dir imponieren will?“, fragte er dann großspurig.
    Jenny riss die Augen auf. „Ja, wolltest du das denn nicht? Das kam mir aber so vor, weil du dich so zielsicher an der Leine meines Hundes vergriffen hast. Dann sag mir doch mal, was du wirklich damit tun wolltest.“
    Der Junge wurde verlegen, denn eine eindeutige Antwort hatte er darauf nicht. „Wolltest du vielleicht mit Othello spazieren gehen?“, fragte Jenny jetzt hilfreich.
    Julian wusste sich gar nicht mehr anders zu helfen, als langsam zu nicken. Kichern klang bei seinen Kameraden auf.
    „Ihr müsst mal ganz still sein, ihr habt nämlich keine Ahnung“, warf er ihnen jetzt vor.
    Auch Jenny kicherte innerlich. Vor allem aber war sie erleichtert, dass sie es scheinbar geschafft hatte, sich der Bande zu erwehren.
    „Haut jetzt ab!“, befahl Julian. „Wir sehen uns später.“
    „Du willst jetzt mit einem Mädchen gehen?“, kam die entsetzte Frage.
    „Nein, mit einem Hund. Nun ja, der gehört eben einem Mädchen“, behauptete er.
    Die Jungen grölten und zogen davon.
    „Sie werden über dich lachen“, prophezeite Jenny.
    „Das können Sie ja mal versuchen. Wenn ich mit deinem Hund gehen will, dann werde ich das tun.“
    „Du hast mich aber gar nicht gefragt, ob ich damit einverstanden bin.“  
    Julian schaute sie an und streckte dann die Hand nach der Leine aus. „Und – bist du einverstanden?“
    „Ja“, erwiderte Jenny einfach, und die beiden Kinder setzten sich mit dem Tier in Bewegung.
    „Wie kommt es eigentlich, dass du so ganz anders bist als die anderen Mädchen?“, fragte der Junge nach einer Weile.
    „Wie meinst du das?“
    „Na, die anderen kreischen doch erst mal, oder sie betteln, dass man sie in Ruhe lässt.“
    „Tust du das dann?“
    Er grinste. „Natürlich nicht.“
    „Also hätte es auch keinen Zweck gehabt, oder? Da musste ich mir ja was anderes einfallen lassen“, erklärte Jenny.
    „Die Idee war gut“, lobte Julian. „Hast du das ernst gemeint – mit dem Eis essen, meine ich?“
    „Ja. Du darfst mich zog einem Eis einladen, wenn du dich endlich vernünftig benimmst.“
    „Jetzt höher aber mal auf! Was verstehst du unter vernünftig?“ Julian blieb stehen und drehte sich zu Jenny. Was er in ihrem Gesicht sah, machte ihn nachdenklich. Selbst er konnte sehen, dass in ihren Augen sich Qual spiegelte.
    „Ich meine damit, dass Vernunft etwas ist, wobei man sich nicht prügeln muss. Und wo man miteinander redet und die Meinung des anderen auch anerkennt und ihm nicht die eigene aufzwingt. Ganz einfach...“ Sie brach ab, und plötzlich standen Tränen in ihren Augen.
    Zum ersten mal überhaupt war Julian davon gerührt, zum ersten mal reagierte er auf Tränen. Etwas unbeholfen wollte er Jenny an sich ziehen und sie trösten, nur um die schönen Augen nicht mehr in den Tränen schwimmen zu sehen.
    Doch Jenny machte sich los und wischte mit trotzigen Bewegungen durch ihr Gesicht. „Das ist nur, weil mein Vater, ich meine – ach, vergiss es!“ Mit wütenden Schritten ging sie weiter, Othello energisch hinter sich herziehend.
    „He, jetzt warte mal“, rief Julian und lief hinter ihr her. „Das kenne ich, weißt du? Mein Vater schlägt auch, meistens allerdings mich.“ Das schiefe Grinsen, das diese Worte begleitete, zeigte Jenny, dass der Junge es gar nicht lustig fand.
    „Warum tun die Erwachsenen so was?“, flüsterte sie.
    „Ich weiß nicht, Jenny. Aber wir können uns ja vornehmen, es besser zu machen, wenn wir mal erwachsen sind.“
    Gemeinsam gingen sie weiter, und als Julian irgendwann nach der Hand von Jenny griff, wehrte sie sich nicht dagegen.
     
    *
     
    Jennys Geburtstag stand bevor. Kirsten plante ein Fest im kleinen Kreise, aber Jennys Freunde sollten auf jeden Fall dabei sein. Nun,

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