Jenseits aller Tabus
wie gefielen Ihnen Ms Dearings … Tapetenmuster?«, wollte Lucille mit deutlich hörbarer Ironie in ihrer Stimme wissen. Kaum hatte sie diese Frage gestellt, biss sie sich schmerzhaft auf die Unterlippe. Was hatte sie nur geritten? Die Eifersucht war urplötzlich hochgekocht und aus ihrem Mund herausgesprudelt. Es ging sie nichts an, ob Craig mit Michelle intim geworden war. Aber gewusst hätte sie es trotzdem gern.
Überrascht schwieg er einen Moment und sah ihr tief in die Augen, als würde er versuchen, ihre Gedanken zu lesen. Schließlich zuckten seine Mundwinkel. Craig badete eine Weile in ihrer Verlegenheit.
»Mein Interesse an Michelles …«, er räusperte sich, »Musterbuch ist ungefähr so groß wie das Verlangen, Fischeier zu essen. Ihr Interesse ehrt mich.«
Lucilles Herz machte einen Sprung. Mit aller Kraft kämpfte sie gegen das breite Grinsen an, zu dem sich ihr Mund formen wollte. »Interpretieren Sie nicht zu viel in meine Bemerkung hinein.« Sprachen sie noch von Tapeten?
»Nicht mehr als in den Spott, mit dem Sie Ms Dearings Namen ausgesprochen haben. Ich habe Michelle heimgeschickt, da ich ihre kostbare Zeit nicht verschwenden möchte. Sie ist nämlich eine erfolgreiche Innenarchitektin.« Während er seine Trainingshose enger band, fügte er ernster hinzu: »Außerdem musste ich dringend trainieren, das macht den Kopf so herrlich frei. Sind Sie nun beruhigt?«
»Wieso sollte es mich kümmern, wenn Sie mit Ms Dearing in Ihrem Schlafzimmer … oder irgendwo anders hin verschwinden«, sie gestikulierte wild, »sich zurückziehen, ich meine, gehen … um Tapetenmuster auszusuchen … oder was auch immer?«
»Weshalb haben Sie dann nach Ms Dearing gefragt?« Craig dagegen blieb die Ruhe in Person.
Fieberhaft suche Lucille nach einer Ausrede und fand keine. Wozu sich die Mühe machen, zu lügen? Sie sah Craig ohnehin an, dass er ihre Eifersucht erahnte.
»Ich habe Geräusche in der Sauna gehört. Es ist doch erstaunlich, was hinter meinem Rücken passiert. In Zukunft muss ich wohl härter durchgreifen.« Den letzten Satz sprach er eine Nuance tiefer aus, sodass er sich in Lucilles Ohren schlüpfrig anhörte.
Ihr Zug war längst abgefahren. Nun kam die Zeit, selbstlos zu sein, wie damals in der Pflegefamilie, als sie sich für die anderen Kinder eingesetzt hatte, weil ihre Schwestern und Brüder – nicht die Pflegeeltern – alles an Familie waren, was sie hatte. Sollte sie in dieser Farce ruhig das Opfer sein. Sie würde Agent McCarthys abfälliges Lachen schon verkraften und die Monate in Schutzhaft überstehen. Irgendwie. Ihr Leben war schon immer verkorkst gewesen, wenigstens Avas und Corys sollte nicht verpfuscht werden.
Lucille schlang die Finger ineinander, hob ihre Hände und legte ihr Kinn darauf ab. »Ich weiß, dass ich keine Nachsicht von Ihnen erwarten kann, Mr Bellamy.«
»Sie hatten Ihre Bewährungsprobe.« Er verschränkte die Hände vor dem Oberkörper, wirkte jedoch keineswegs hart, sondern abwartend.
»Aber bitte kündigen Sie Ava und Cory nicht. Sie sind gute Mitarbeiter und arbeiten fleißig und gerne für Sie.«
»Das habe ich eben gesehen.«
»Es war falsch, sich während der Arbeitszeit zu vergnügen, aber das Verlangen hat die beiden übermannt. Sie konnten ihre Finger nicht voneinander lassen, weil sie sich stark zueinander hingezogen fühlen. Das wird nicht wieder vorkommen, bestimmt nicht. Ich nehme all Ihren Groll auf mich, nur feuern Sie die zwei nicht.«
»Verlangen, hm?« Mit dem ausgestreckten Zeigefinger tippte er gegen seine Unterlippe. »Und was hatten Sie in der Sauna zu suchen?«
Ihr wurde heiß. Sie sah auf ihre Schuhspitzen, stellte sich immer wieder kurz auf die Zehen und ließ ihre Schultern hängen.
»Sie können ja nicht nur kratzbürstig, sondern auch richtiggehend devot sein.« Anzüglich glitt sein Blick an ihr auf und ab.
Warnend blinzelte Lucille ihn an, denn sie war kein Frauchen, das sich einem Mann zu Füßen warf. Doch es lag eine erotische Spannung in der Luft, der sie sich nicht zu entziehen vermochte, ob sie das wahrhaben wollte oder nicht. »Devot, Mr Bellamy, geht wohl ein wenig zu weit. Ich bitte Sie lediglich, Ava und Cory die Möglichkeit zu geben, Ihnen zu beweisen, dass sie es wert sind, eine zweite Chance zu bekommen.«
»Sie setzen sich wirklich engagiert für sie ein, das muss ich zugeben. Nun gut.« Nachdenklich ging er vor ihr auf und ab. »Wenn Sie wirklich für die beiden kämpfen wollen, müssen Sie auch bereit
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