Jenseits aller Tabus
sie mit Leidenschaft bei der Sache. Dabei ging es um die Besiegelung eines unverschämten Abkommens, und nur darum! Eine Vereinbarung mit einem Schmock. Der jedoch verdammt gut küssen konnte, stellte sie schon nach kurzer Zeit fest.
Craig drängte sie mit dem Rücken gegen den Kamin, stützte sich rechts und links von ihr ab und massierte ihre Lippen so sanft, so zärtlich mit seinen, dass sie nicht einmal die Kraft besaß, ihre Augen zu öffnen, um weniger verzückt zu wirken. Sie schmolz förmlich unter seinem Kuss dahin und drückte Craig selbst dann nicht weg, als er einen Atemzug lang von ihr abließ, um seinen Mund schließlich erneut auf ihren herabzusenken.
Genau genommen war das schon der zweite Kuss. Aber Lucille wollte an diesem Tag nicht kleinlich sein. Sie öffnete sogar ihren Mund ein bisschen, doch anstatt ihrer Einladung zu folgen und seine Zungenspitze zwischen ihre Lippen zu schieben, ließ er von ihr ab.
Gerade rechtzeitig, denn plötzlich wurde die Tür aufgestoßen, und Nate kam in die Bibliothek. Als er sah, wie nah sich Craig und Lucille waren, blieb er abrupt stehen.
»Ihr Gast ist gekommen und wartet auf der Terrasse auf Sie, Sir.« Nates gebleichte Zähne leuchteten weiß wie Schnee, und genauso kalt war sein Lächeln.
Craig stieß sich vom Kamin ab. »Ich komme. Wir sehen uns morgen, Kirby.« Er leckte sich über die Unterlippe und verließ die Bibliothek.
»So ist das also.« Leise schloss Nate die Tür.
Lucille spannte sich an. Unauffällig sah sie sich nach einem Gegenstand um, der spitz und hart war, gut in der Hand lag und ausreichend Schaden anrichten konnte.
Betont lässig schlenderte er auf sie zu. Er taxierte sie, betrachtete ihren Busen für Lucilles Geschmack ein wenig zu lang und streckte seine Hand aus, um mit seinen Fingerknöcheln an ihrem Hals hinabzustreichen.
Bevor er ihr Dekolleté erreichte, schlug sie seinen Arm weg. Sie versuchte an ihm vorbeizugehen und den Raum zu verlassen, da die Luft mit einem Mal stickig war, doch er stellte sich ihr in den Weg. Der Druck in ihrer Magengrube nahm zu. »Was soll das?«
»Ich habe längst bemerkt, dass du sehr«, er schaute an die Zimmerdecke, als würde dort der Begriff geschrieben stehen, nach dem er suchte, »zugänglich bist.«
Reiß dich zusammen, ermahnte sich Lucille, bleib cool. Sie wusste, dass sie keine Schwäche zeigen durfte. Wer eine Opferhaltung einnahm, würde auch als Opfer enden, hatte ihre Kindheit und Jugend sie gelehrt. »Ich warne dich. Unterschätze mich nicht«, warnte sie ihn, bemüht, ihre Stimme fest klingen zu lassen.
»Madison und Taylor machen diesen Fehler – ich nicht.« Er wickelte eine ihrer roten Haarsträhnen um seinen Finger. »Du siehst so unschuldig aus, aber das tut der Wolf im Schafspelz auch. Du bist keine Schönheit, hast aber keine Skrupel, deine Weiblichkeit einzusetzen, das gefällt mir.«
»Pass auf, was du sagst!« Innerlich brodelte es in ihr, aber sie hatte sich noch nicht entschieden, ob sie ihn im Notfall mit der Kaminschaufel oder einer Buchstütze niederstrecken wollte. Obwohl die Situation ihr zunehmend Angst einflößte, würde sie keinesfalls zu betteln und zu weinen anfangen, sondern sich aus Leibeskräften wehren.
»Du hast Bellamy längst an der Angel, richtig?« Anerkennend nickte er, ohne auf ihre Antwort zu warten. »Wenn du verhindern willst, dass die ganze Belegschaft davon erfährt, wirst du mir deine Qualitäten ebenfalls beweisen müssen.«
»Einen Dreck werde ich.« Was bildete dieser Fatzke sich ein? Er war nicht in der Position, ihr ein unmoralisches Angebot zu unterbreiten, denn ihm fehlte etwas Entscheidendes, das Craig besaß: nicht Reichtum oder Macht, sondern ihr Interesse. Craig Bellamy hatte ihr Verlangen geweckt, Nate dagegen mit seiner Überheblichkeit widerte sie an.
Er baute sich in seiner ganzen Größe vor ihr auf und drängte sie in die Ecke zwischen Kamin und Wand. »Du wirst mir aus der Hand fressen.«
»Eher wird die Hölle zufrieren«, spie sie ihm entgegen. Adrenalin pumpte durch ihre Adern. Inzwischen war sie zu weit weg, um das Kaminbesteck oder eins der Bücherregale zu erreichen. Nicht einmal an das Hardcover, das auf dem lederüberzogenen Beistelltisch stand, kam sie heran.
»Du bist ja eine richtige kleine Wildkatze, Kirby, und magst es also ein bisschen grob. Das kannst du haben.«
Lucille wusste, dass der Zeitpunkt, zu dem sie Nate hätte überreden können, einfach den Raum zu verlassen und so zu tun, als wäre
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