Jenseits aller Tabus
sie sich. Die Musik im Radio, das auf der Anrichte stand, lullte sie ein. Taylor, Patrick und Kenneth, einer der beiden Securitys, unterhielten sich über ein Festival in Cape Coral, über das der Radiomoderator berichtet hatte. Lucille jedoch hörte nur mit einem Ohr hin, denn sie würde ohnehin nicht hingehen. Das FBI hatte ihr befohlen, öffentliche Orte zu meiden. Wozu sollte sie auch ausgehen, wo doch ihr neuer Job ihr solch eine Freude bereitete?
Als Craig allerdings im Türrahmen des Speiseraums auftauchte, wurde Lucille mulmig. Sie spürte, wie jegliche Farbe aus ihrem Gesicht wich.
Taylor flog so heftig von ihrem Platz auf, dass sie beinahe ihren Stuhl umgeworfen hätte. »Möchten Sie jetzt schon dinieren, Mr Bellamy?«
»Ich wollte Kenneth nur fragen, ob sich die neuen Überwachungskameras bewähren.« Craig blieb vor der Tafel stehen. Seine Hände steckte er in die Hosentaschen und warf Lucille einen vielsagenden Blick zu.
Unruhig verlagerte diese ihr Gewicht von einer Gesäßhälfte auf die andere. Sie schaute prüfend auf seine Hosentaschen, konnte aber nicht erkennen, in welcher sich die Fernbedienung befand.
Kenneth legte seine Gabel auf den Tisch und wischte sich mit einer Serviette über den Mund. Sein Kollege hielt die Stellung vor den Überwachungsmonitoren in der Pförtnerloge, während er aß. »Durch die höhere Auflösung sind die Bilder gestochen scharf. Auch die vier weiteren Kameras haben sich als gute Anschaffung erwiesen, es gibt so gut wie keine toten Winkel mehr. Niemand kommt ungesehen rein.«
»Oder raus«, fügte Craig hinzu.
Lucille horchte auf. Was wollte er damit sagen? »Klingt nach Fort Knox«, rutschte ihr heraus. Sogleich biss sie sich auf die Unterlippe, aber gesagt war gesagt. Wieso rüstete er ausgerechnet jetzt auf, wo sie ihre Stelle bei ihm angetreten hatte? War das reiner Zufall?
Empört über diesen Kommentar stieß Taylor die Luft aus ihren Lungen aus und nahm wieder Platz.
Patrick räusperte sich missbilligend, doch Craig kam seiner Rüge zuvor: »Auch Sie möchten sich bestimmt sicher bei mir fühlen, nicht wahr, Ms Lamar? Es ist schon vorgekommen, dass Villen am helllichten Tag von Gangs überfallen wurden.«
Der La picadura del escorpión traue ich das auch zu, kam Lucille in den Sinn, denn die Ermittlungsbehörde hatte erwähnt, das Drogenkartell wäre zu allem fähig. Eifrig nickte sie und erinnerte sich an die Waffen im Schutzkeller. Rüstete Craig gerade auf, weil er Feinde hatte? Fühlte er sich bedroht? Oder plante er selbst einen Angriff? Seine Gelassenheit sprach dagegen.
Es kribbelte sanft in ihrem Schoß. Zuerst glaubte sie, es läge an Craig, der sie unverschämt verführerisch betrachtete, doch schnell erkannte sie, was der wahre Grund dafür war. Die Libelle vibrierte sachte. Nicht hier. Nicht jetzt. Kannte dieser Mann denn keine Grenzen? Hitze stieg in ihre Wangen. Lucille senkte ihren Blick und presste ihre Beine zusammen, aber das verstärkte die Vibration nur. Es fühlte sich an, als würden Hunderte Fingerspitzen zart über ihren Schoß streicheln.
Zuerst verfluchte sie Craig, weil er sie in diese unerträgliche Situation brachte, doch dann stellte sie fest, dass die Angst, entdeckt zu werden, durchaus ihren Reiz besaß. Es machte sie tatsächlich an, ihre wachsende Erregung nicht zeigen zu dürfen, stellte sie fest. Kein Schaudern, kein Seufzen, auf gar keinen Fall Stöhnen oder einen Schlafzimmerblick bekommen, redete sie in Gedanken auf sich ein. Allerdings wurde es immer schwerer, ihre Lust zu verheimlichen.
Mit geröteten Wangen sah sie zu Patrick, Taylor und Kenneth, aber der harte Gitarrensound von Metallica, der vom Radio her erschallte, übertönte das leise Summen des Umschnallvibrators. Allerdings fiel Taylor ihre Verlegenheit auf, das erkannte Lucille an der abfälligen Art, wie sie zuerst Lucille und dann Craig musterte, als würde sie ihre Vermutung und die von Madison bestätigt sehen, dass sie, die Neue, ein Auge auf den Chef geworfen hatte.
Lucille schob ihren halb geleerten Teller weg und tat so, als würde sie sich den Bauch halten, dabei drückte sie unauffällig mit den Händen auf ihren Venushügel, in der Hoffnung, die Libelle würde verrutschen und wenigstens nicht länger ihre empfindsamste Stelle reizen. Tat sie natürlich nicht.
Unerwartet neigte sich Craig zu ihr herunter und strich mit dem Fingerknöchel über die Gänsehaut auf ihrem Unterarm. »Soll ich die Klimaanlage für Sie niedriger drehen? Sie
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