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Jenseits aller Vernunft

Jenseits aller Vernunft

Titel: Jenseits aller Vernunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Wenn er in der Nähe war, fühlte sie sich sicher, obwohl sie nicht verstand, woher das kam. Die letzten Wochen, bevor sie irgendwo im Wald ihr Kind geboren hatte, war sie ständig unter freiem Himmel gewesen. Dabei hatte ihr die Angst als Wächter gedient, sie daran gehindert, zu unvorsichtig zu werden. Doch irgendwann war sie doch nachlässig geworden, und er hatte sie eingeholt. »Nie wieder«, flüsterte sie in die Dunkelheit. »Jetzt ist er tot.«
    Gerade als ihr die Augen zufallen wollten, hörte sie Ross draußen. Sie konnte genau seine Tätigkeiten verfolgen, als er das Feuer eindämmte und seine Matratze ausrollte.
    Sie rutschte auf den Knien bis hinten an die Wagenklappe und hob das Segeltuch. Er saß auf seiner Matratze und zog sich die Stiefel aus. »Gute Nacht, Mr. Coleman.«
    Er hob mit einem Ruck den Kopf, sah sie von der Wagenöffnung umrahmt, wo das Mondlicht ihr weißes Nachthemd leuchten ließ. Wilde Locken umgaben ihren Kopf. Ihre Stimme schien aus der Dunkelheit zu ihm zu dringen und seine Wangen zu streicheln.
    »Gute Nacht«, knurrte er und ließ sich auf sein hartes Bett fallen.
    Immer noch brummig, dachte sie und legte sich auf das weich bezogene Bett. Er wollte möglichst bald den Mississippi überqueren. Vielleicht würden sie übermorgen schon hinkommen. Und dann würde sich auch seine Laune bessern.

6
     
    Die nächsten zwei Tage trieben sie ihre Pferde kräftig voran, um möglichst bald den Mississippi zu erreichen. Wenn sie ihn überquert und Tennessee hinter sich gelassen hatten, würden sie erst merken, dass sie weitergekommen waren.
    Ross ließ Bubba seine Pferde führen und lenkte den Wagen selbst. Er gab Lydia nie die Zügel in die Hand, erklärte ihr aber, wie man sie halten und damit umgehen muss te. Dabei sah er sie nur selten direkt an. Obwohl Lukes Hemd und der alte Rock keinerlei Anspruch auf Chic erheben konnten, war Ross doch sehr erleichtert gewesen, dass sie nicht mehr das Kleid trug.
    Sie schien entschlossen, seine schlechte Laune zu ignorieren, und verwickelte ihn in ein Gespräch. Dabei wurde ihm klar, wie wenig das Mädchen von der Welt wusste , und er fragte sich noch einmal, ob sie vielleicht irgendwie zurückgeblieben war. Dann schlo ss er diese Möglichkeit jedoch aus. Sie vergaß nie etwas, das er ihr einmal gesagt hatte, und hinter ihrem fragenden Blick erkannte er den Lerneifer.
    »Habt Ihr am Krieg teilgenommen?«
    Er nickte. »Für die Südstaaten.«
    »Dann wolltet Ihr also, dass die Schwarzen Sklaven bleiben?«
    Er starrte sie überrascht an. »Nein. Ich will niemanden zum Sklaven machen.«
    »Warum habt Ihr dann für die Südstaaten gekämpft?«
    »Weil ich dort gelebt habe«, sagte er mit wachsender Ungeduld. Sie schien immer instinktiv seine wunden Punkte zu treffen und keinen auszulassen.
    Aus Vaterlandsliebe hatte er sich bestimmt nicht für eine Seite entschlossen. Der Krieg hatte ihm damals, als er noch ein rücksichtsloser Junge gewesen war, einen guten Vorwand geliefert, ungestraft zu plündern und zu töten. Er war scharf auf jeden Kampf gewesen und hatte keine Gelegenheit ausgelassen. Als eine Gruppe von Freischärlern ihn anheuerte, war er nicht der Ehre wegen mitgezogen.
    Lydia wollte nicht, dass er sie für völlig unwissend hielt. »Einmal ist ein Trupp von Soldaten an unserer Farm vorbeigekommen. Sie hatten alle dieselben Uniformen an, und einer trug eine Fahne.«
    »Müssen Yankees gewesen sein. Wir hatten gegen Ende nicht mehr solchen Luxus wie Uniformen und Fahnen.« Er hatte nur eine einzige Uniform besessen, und die stammte von einem toten Soldaten. Auch war er nie in einer offiziellen Truppe geritten, sondern hatte höchstens nachts irgendwelche unvorbereiteten Heerlager überfallen. Innerhalb von wenigen Minuten hinterließen sie Tod und Zerstörung. Und Ross war es egal gewesen, ob er dabei umkam, denn er betrieb das Ganze wie ein Glücksspiel. Für diese Art von Einsatz war er bestens geeignet gewesen.
    »Andere Soldaten habe ich nicht gesehen, aber manchmal aus der Ferne die Kanonen gehört.«
    »Wo war denn Eure Farm?«
    Lydia wollte ihm nicht zuviel erzählen, aber sie wusste ohnehin nicht genau, wo die Farm der Russells lag. »Im Nordosten von Tennessee.«
    »Ist sie niemals von irgendwelchen Soldaten geplündert worden?«
    Sie lachte bitter. »Nein. Es gab nichts, das sich zu stehlen gelohnt hätte.«
    Er war mit Männern unterwegs gewesen, die auf die nächste Mahlzeit verzichtet hätten, um bei einem solchen Mädchen zum

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