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Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Titel: Jenseits der Alpen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Gollek am nächsten Morgen zusammen mit dem Frühstück das Oberbayerische Volksblatt gebracht wurde, verschlug es ihm nach kurzem Durchblättern den Atem. Es wurde nach ihm gefahndet Er erkannte es an einem Bild, das aussah wie ein Foto und das eine gewisse Ähnlichkeit nicht leugnen ließ. Es folgte ein Text, der ihn beschrieb. Eine Beschreibung, die nur von dem Mädchen kommen konnte, das er freigelassen hatte. Die anderen waren tot. Er warf einen prüfenden Blick auf seine Frau. Sie verhielt sich normal. Offenbar hatte sie die Zeitung nicht gelesen oder den Bericht übersehen.
    Irgendwann musste diese Situation ja eintreten! Das hatte er sich in der Vergangenheit immer und immer wieder gesagt. Nur jetzt nicht nervös werden. Wenn ich mich in dem Aufruf selbst erkenne, dachte er, dann deshalb, weil ich die Aktion erwartet habe und mein nachempfundenes Gesicht mit dem Text verbinde. Hier in Rosenheim kennt mich kaum jemand. Die Nachbarn wissen nicht, was ich beruflich mache. Ihnen fällt bloß auf, dass ich häufig unterwegs bin.
    Einen bedeutenderen Schrecken hatte ihm allerdings die Begegnung gestern am Inndamm eingejagt. Den Kriminaler hatte er verschiedene Male in der Zeitung gesehen und sofort erkannt. Er hatte versucht, sein Gesicht abzuwenden oder zu verdecken. Doch das war auf die Schnelle unmöglich gewesen. Er hatte jedoch nicht den Eindruck, dass der Polizist ihn erkannt hatte. Wie konnte er auch, sagte er sich zum x-ten Mal. Er kannte Thorsten Gollek ja nicht.
    Helen goss ihm Kaffee ein. Sie hatte sich zu ihm gesetzt. Er schlug sein Ei auf und bestrich sein Brot mit Butter.
    »Was ist los mit dir, Thorsten?«, fragte sie ihn.
    Merkte man es ihm an? Wirkte er nervös? Das wäre schlecht. »Was soll los sein?«, sagte er und zuckte mit den Schultern. Und vertiefte sich weiter in die Zeitung.
    Seine Gedanken wanderten – jetzt mehr als in den Tagen zuvor – zu dem Mädchen. Zu Clara. Clara, die ihm einen falschen Namen genannt hatte. In Wirklichkeit hieß sie Roswitha, das hatte er auch der Zeitung entnommen. Dem über halbseitigen Bericht, zwei Tage nachdem er sie zurückgelassen hatte. Dort stand auch, dass die Eltern sich total gefreut hätten. Die Eltern! Ihr Vater sei gestorben, hatte sie phantasiert. Von einer todkranken Schwester stand nichts in der Meldung.
    Das kleine Biest hatte ihn belogen. Ausgeschmiert. Und er war darauf hereingefallen.
    Das sollte sie büßen. Er musste die Kleine zum Schweigen bringen. Die Presse hatte nicht gemeldet, wie die Familie hieß. Das musste er herausfinden. Außerdem, wo sie wohnte und wie man unbemerkt in die Wohnung und zu dem kleinen Teufel vordringen konnte. Oder er musste sie abpassen.
    Panik überfiel ihn zusehends. Er wurde seit heute mit Steckbrief gesucht, das Mädchen war sicher ausgefragt worden und wurde es noch, und er musste sie beseitigen. Minütlich versuchte er, die Panik und den schleichenden Wahnsinn zu bekämpfen, ohne dass Helen es nur eine Sekunde lang bemerken durfte. Er musste sich vor allem bemühen, die Kontrolle über die Zeit zu behalten. Nach dem Frühstück begann er, Minuten und halbe Stunden zu zählen. Er zwang sich, an allen möglichen Routinen festzuhalten, die keinen Anfang und kein Ende hatten. Mit dem Hund spazieren, mit der Hand über ein Fensterbrett streichen, Karl zur Schule bringen, Bürokram erledigen. Erst am Donnerstag hatte er die nächste Lkw-Tour.
    Er begann, sich in den Fall Roswitha zu vertiefen, wie er sein Vorhaben nannte. Er musste den Fall Roswitha erledigen, bevor er wegfuhr. Und es durfte nichts dazwischenkommen.
    * * *
    »Kripo Rosenheim. Grüß Gott. Wir haben Ihnen das Bild eines Serientäters zugeschickt. Kennen Sie den Mann?« Über zwanzig Mal hatte Agnes deutsche, österreichische und italienische Speditionen angerufen und ihr Sprüchlein aufgesagt. Sie hatte zwanzig verschiedene Antworten bekommen.
    »Bild? Serientäter? An uns? Nein, das haben wir nie gekriegt.«
    »Einen Serienmörder haben Sie uns geschickt? Ach, wie nett. Wie viele Menschen hat er denn so auf dem Gewissen?«
    »Ein Bild? Nicht, dass ich wüsste. Warten Sie, ich frag mal nach.« Danach war Totenstille. Agnes hörte nur mehr hastiges Atmen.
    »Ja, das Foto haben wir erhalten. Wir haben’s auch herumgezeigt. Aber den kennt keiner.«
    »Nein, der arbeitet nicht bei uns. Aber wenn sich ein Fahrer bei uns bewirbt, der so aussieht, werden wir uns melden.«
    Für einen gewöhnlichen Menschen wäre diese Aufgabe frustrierend gewesen.

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