Jenseits der Eisenberge (German Edition)
bringst. Du bist mitverantwortlich für seine Fehler!“
Lamár wurde nach vorne geschubst und hätte beinahe den Alten zu Boden gerissen und dabei sicherlich unter sich begraben. Doch irgendwie schaffte er es, sich im letzten Moment zu drehen, dem Sklaven auszuweichen und stattdessen hart mit den Knien aufzuschlagen. Ein dunkelhaariger Wächter zerrte ihn hoch.
„Sei vorsichtig, Mattin“, warnte Ruquinn von hinten. „Der da kann gefährlich sein. Ich hab gehört, dass er ein Söldner gewesen sein soll, bevor er versklavt wurde.“
„Aber jetzt ist er nur noch ein Irrer. Ich denke, wir beide werden uns gut verstehen, nicht wahr?“ Mattin schubste Lamár, der sich nach hinten fallen ließ und alle Gedanken von Mord und Blut zu verdrängen versucht.
Arkin half Lamár schweigend aufzustehen und zog ihn mit sich, auf die Baracken zu. In Lamárs Kopf drehte sich alles, der beißende Schmerz machte ihn beinahe blind.
Lamár, der Söldner. Es hörte sich viel zu richtig an, um eine Lüge zu sein. Könnte er sich nur erinnern!
Lamár brauchte einen Moment, um sich an das Dämmerlicht in der Hütte zu gewöhnen. Ein Feuer brannte in der Mitte, was bei dem fest gestampften Lehmboden keine große Gefahr darstellte; der Rauch zog durch ein Loch im Dach ab. Zwei ältere Frauen und eine Reihe von Kindern verschiedenen Alters blickten ihn ohne Interesse an. Sie waren damit beschäftigt, Essen zuzubereiten und verschiedene Lederarbeiten zu verrichten. Arkin flüsterte mit den beiden Frauen, deren gleichmütiger Gesichtsausdruck sich in Misstrauen und Furcht verwandelte.
„Mein Name ist Irla“, sagte eine der beiden und erhob sich. Sie war eine kleine, auf zähe Weise hagere Frau, die vor ihrer Zeit ergraut zu sein schien. „Ich bin Arkins Gefährtin und die Herrin in dieser Hütte. Alle, die hier nachts Schutz suchen und Essen verlangen, müssen sich den Gesetzen unterwerfen, die ich bestimme. Weigerst du dich, wirst du die Nacht draußen verbringen und wahrscheinlich sterben.“ Sie betrachtete ihn mit hartem Blick. „Rebellen überleben selten länger als drei Tage: Entweder schlagen die Aufseher sie tot, oder sie gehen schlicht zugrunde. Arkin sagt, du bist krank da oben. Und du warst früher ein Söldner. Wirst du uns Kummer machen?“
Lamár seufzte und winkte verneinend ab. Den Kopf zu schütteln hätte ihn vermutlich umgebracht. „Ich kann mich nicht erinnern, wer ich bin“, flüsterte er – laut zu sprechen war viel zu schmerzhaft, auch wenn die Attacke langsam abflaute. „Ich will niemandem etwas antun, sondern einfach nur überleben.“
Irla musterte ihn weiter von oben bis unten, allerdings wurden ihre Züge dabei weicher. „Du bist verletzt“, sagte sie und ergriff seine Hände, die von den Fesseln blutig gescheuert worden waren.
„Ruquinn hat ihn hergebracht“, warf Arkin ein, mit Verachtung in der Stimme.
„Dann wird sein Rücken in Fetzen geschlagen sein. Er bleibt vorerst hier, Arkin“, entschied Irla und zwang Lamár mit einer entschiedenen Geste, sich nahe beim Feuer hinzusetzen. „Nicht vergessen: Wenn du einen von uns angreifst, werfe ich dich ohne zu zögern hinaus“, setzte sie nach. Der Ausdruck in ihrem faltendurchzogenen Gesicht bezeugte, wie ernst es ihr war. Arkin nickte ihm zu: „So wie Irla hier drinnen bestimmt, habe ich draußen in der Mine das Sagen. Ich teile die Arbeiten ein und entscheide, wer fähig oder aber zu krank oder zu schwach ist, in den Schacht zu gehen. Die Aufseher vertrauen mir und mischen sich nur ein, wenn es Schwierigkeiten gibt. Dieses System hat sich bewährt, denn Sklaven, die ausgepeitscht werden müssen, können tagelang nicht arbeiten. Jedes Mal, wenn ein Sklave Unmut erregt, müssen alle anderen mit darunter leiden.“ Er schnalzte missbilligend, als Lamár mit Irlas Hilfe sein Hemd auszog – er konnte kaum die Arme über den Kopf heben – und die Wunden am Rücken sichtbar wurden. „Er kann frühestens in zwei Tagen arbeiten. Ich werde zusehen, dass Pocil darüber nicht wütend wird.“ Arkin sah Lamárs verständnislosen Blick und lächelte schmal. „Pocil ist der blonde Mann, der dich in Empfang genommen hat. Er hat die Oberaufsicht über dieses Lager und mag es gar nicht, wenn neue Sklaven erst einmal nutzlos sind. Da du allerdings von Ruquinn gebracht wurdest …“
„Was ist mit dem? Er hat mich vom ersten Moment an mit Hass überschüttet“, murmelte Lamár unterdrückt. Irla zwang ihn, sich auf den Bauch zu legen und
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