Jenseits der Eisenberge (German Edition)
verteilte eine merkwürdig nach Kräutern und Fett riechende Paste auf seinem Rücken. Es war im ersten Moment unangenehm, kühlte danach jedoch und wirkte betäubend.
„Ruquinn? Ganz genau wissen wir es nicht, aber man erzählt sich, dass ein ausgebrochener Sklave seine Frau vergewaltigt und umgebracht hätte und Ruquinn sich daraufhin als Aufseher beworben hat. Es mag stimmen, er behandelt jeden männlichen Sklaven, als wären sie seine persönlichen Feinde, vor allem jüngere und kampfkräftige Männer. Gegenüber Frauen ist er gleichgültig.“ Irla sprach weiter, ihre tiefe Stimme klang angenehm in Lamárs Ohren. Er legte den Kopf auf die Arme und genoss es einfach, für eine Weile keine Schmerzen zu leiden, weder Furcht noch Kälte ertragen zu müssen.
Noch bevor Irla mit seinen Wunden fertig war, schlief er bereits tief und fest.
Irla betrachtete das entspannte Gesicht ihres neuesten Schützlings, fuhr mit einem Finger die kaum sichtbaren Linien an Augenwinkeln und Stirn nach, betrachtete dann seinen harten, sehnigen Körper.
„Ein schöner Mann … Er ist nicht ganz so jung, wie er auf dem ersten Blick scheint, gewiss eher Ende als Anfang dreißig“, sagte sie zu Nalie, die kaum von der Suppe aufsah, in der sie gerade hingebungsvoll rührte. „Vielleicht wird ihn sein Alter vor der einen oder anderen Dummheit bewahren, die er mit all diesen Muskeln hier begehen könnte. Hoffen wir, dass er sich einfügen kann. Ich bin es müde, ständig Leute begraben zu müssen, die nicht einmal lange genug hier waren, dass man sich ihre Namen merken konnte.“
„Warten wir’s ab“, erwiderte Nalie und spuckte zu Boden. „Wäre schade um ihn, der ist wirklich ein Hübscher. Zuallererst muss er aber mit Tiko zurechtkommen, und das wird schwierig genug.“
Irla seufzte nur und ließ sich von zweien der älteren Kinder helfen, den Neuankömmling in eine Ecke der Hütte zu zerren, wo er niemandem im Weg sein würde. Er war so erschöpft, dass er nicht einmal davon wach wurde, obwohl sie nicht gerade sanft mit ihm umgehen konnten – dazu war er zu groß und zu schwer für sie. Ihr Sohn Tiko hatte ein feines Gespür für Rebellen und begegnete ihnen mit erbarmungsloser Härte. Nicht, weil er von Grund auf aggressiv war, sondern weil er die anderen hier schützen wollte vor Dummköpfen, die sich nicht einfügen konnten. Schon so mancher neuer Sklave war aus der Hütte verbannt worden, der sich nicht von Tiko beugen lassen wollte. Irla ließ es zu, sie vertraute seinem Instinkt. Auch, wenn sie manchmal Zweifel hatte, ob der eine oder andere, der hatte sterben müssen, nicht doch hätte Teil der Gemeinschaft werden können.
Hoffen wir, dass der hier vernünftiger ist, als es scheint. Himmlische Mutter, wir hatten genug Tote in den letzten Wochen!
6.
Elyne stieg mithilfe des Hauptmanns ihrer Eskorte von dem Pferd, froh, dem Sattel entronnen zu sein. Sie hasste Pferde. Schon als kleines Mädchen hatte sie diese Tiere gehasst, die so sanftmütig schienen, doch mit einem einzigen gezielten Tritt einen erwachsenen Mann umbringen konnten. Sie war erst zwei Jahre alt gewesen, als sie genau so etwas mit ansehen musste. Ihre erste Erinnerung überhaupt.
Bei der schwülen Hitze dieses Tages, die sich gewiss bald in einem Gewitter entladen würde, war das Reiten noch unangenehmer.
„Nun komm“, sagte ihr Vater ungeduldig und reichte ihr den Arm, um sie in das Königsschloss zu führen. Sie spürte seine Unruhe und beinahe – aber nur beinahe – hätte er ihr leidgetan. Archym hatte sich in eine ausweglose Lage manövrieren lassen. Sich offen gegen Lys zu stellen, seinen eigenen Schwiegersohn, war das Letzte, was er geplant hatte, egal was er von diesem Mann hielt. Elyne seufzte innerlich. Dieses lächerliche Intrigenspiel! Es zwang sie ebenfalls, sich offen gegen ihren eigenen Mann zu stellen, weil Maruv annahm, sie würde Lys hassen …
Und dabei soll es auch bleiben, er darf die Wahrheit nie erfahren!
Der König saß aufrecht in einem Lehnstuhl in einer kleinen, wenig genutzten Halle und winkte ab, als Elyne und ihr Vater ihn ehrerbietig begrüßten.
„Meine Spione melden, dass die Spinne ihr Netz verlassen hat. Noch zwei, drei Tage, dann haben wir lange genug gewartet und können angreifen.“
„Eure Majestät, Ihr wisst, meine Truppen sind bereit und stehen Euch zur Verfügung“, sagte Archym bedächtig. „Aber warum wolltet Ihr ausdrücklich, dass ich meine Tochter herbringe?“
„Weil sie
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