Jenseits der Eisenberge (German Edition)
von unten herauf einen Blick voller Dankbarkeit und Erleichterung schenkte.
„Ich möchte mit dir spielen“, sagte er stattdessen und hob ihn kurzerhand hoch. Ereks stummes Entsetzen gefiel ihm, am liebsten hätte er gelacht, verkniff es sich aber, setzte ihn nur mit einem Grinsen auf dem Bett ab und schritt zu einer Truhe hinüber. Bevor er sie öffnete, sah er zu ihm und weidete sich an der Angst, mit der Erek ihn beobachtete. Man konnte ihm regelrecht an den weit aufgerissenen Augen ablesen, welche Art von Spiel er erwartete. Nur darauf harrte, welche Folterinstrumente hervorgeholt werden würden, als Kumien den Deckel öffnete.
Als ob selbst ich Vergnügen daran finden könnte, einen Mann zu quälen, der bereits so sehr von seinen Verletzungen geschwächt ist, dass er mir nach einer halben Minute schon ohnmächtig werden würde!
„Beherrschst du Zwanzig Vögel ?“, fragte er, trat zurück zum Bett und legte ein kostbar geschnitztes Holzbrett mit Spielfiguren aus verschiedenen Halbedelsteinen vor ihm ab. Das verdutzte Gesicht war ein herrlicher Anblick!
„Ja“, erwiderte Erek zögerlich.
„Gut. Du nimmst die Jade- und Amethystreihe“, bestimmte Kumien spöttisch lächelnd.
Eine Stunde später wusste er allerdings nicht mehr, ob er amüsiert oder wütend sein sollte. Es war offensichtlich, dass Erek selbst in seinem Zustand dieses Spiel, das allein auf Taktik, Logik und berechnender Analyse funktionierte, um ein Vielfaches besser beherrschte als er selbst – und das ihm, dem Layn von Irtrawitt! Kumien war ein Meister dieses Spiels! Erek versuchte allerdings nicht zu gewinnen, sondern vielmehr so zu verlieren, dass sein Gegner es möglichst nicht bemerken sollte, nachdem er eine ganze Weile lang mit Geschick und Planung seine Verteidigung aufgebaut hatte. Und Kumien hätte es auch nicht bemerkt, wenn er nicht über mehr als zwei Jahrzehnte Spielerfahrung verfügt hätte. Denn Ereks Fehler wirkten so natürlich, seine Enttäuschung über eine verlorene Figur so echt, dass Kumien sie für wahrhaftig halten würde – wenn er nicht mit absoluter Sicherheit wissen würde, dass Erek ihn schon mehr als ein halbes Dutzend Mal hätte besiegen können.
„Bist du sicher, dass du dort landen wolltest?“, fragte er gereizt, als Erek seinen Falken auf einem abseits gelegenen Feld absetzte, ohne sich um Kumiens Adler zu kümmern, dem er damit einen Vorteil schuf.
„Was meint Ihr?“, entgegnete Erek mit einer hinreißenden Mischung aus Konzentration und kindlicher Unschuld, verzog dann ganz leicht die Mundwinkel, als hätte er den Adler tatsächlich erst jetzt entdeckt.
„Zu dumm“, flüsterte er, so leise, dass Kumien es nur gerade noch hören konnte. Er schien fiebrig nach einem Ausweg zu suchen, kaute dabei angespannt auf seiner Unterlippe herum – ein vollendeter Schauspieler.
Na warte!, dachte Kumien, der nun doch Spaß an diesem merkwürdigen Spiel fand. Ich habe mein Lebtag noch nicht gespielt, um zu verlieren, aber das scheint ja diesmal der wahre Sieg zu sein!
Eine weitere Stunde verging, in der sie ein stummes Gefecht darum ausfochten, den Gegner jeweils in eine günstige Lage zu schieben, um ihn zum Sieg zu zwingen. Kumien war noch niemals so stark herausgefordert worden, immer wieder musste er sich zurückhalten, um nicht einfach durch Ereks Verteidigung zu marschieren und das aus einem Diamanten geschnitzte Ei zu stehlen, wodurch er das Spiel beendet hätte. Das subtile Taktieren, um seinen Gegner nicht spüren zu lassen, was er wirklich vorhatte, forderte alles, was er aufzubieten hatte – vergeblich letztendlich. Erek ließ plötzlich die Hände sinken und verkündete mit allem Anschein tiefer Niedergeschlagenheit: „Ihr habt gewonnen, Mebana. Seht, ich kann keine Figur mehr bewegen.“
Kumien stierte ungläubig auf das Spielbrett, wo tatsächlich alle Vögel, die Erek noch verblieben waren, von seinen eigenen Figuren gebannt wurden.
„Ich gelte als guter Spieler, aber Ihr seid ein wahrer Meister“, sagte Erek und neigte ehrerbietig den Kopf. Kumien hätte beinahe das Spielbrett quer durch den Raum geworfen, beherrschte sich jedoch einmal mehr. Auch das war eine fremde Erfahrung für ihn, er machte sich selten die Mühe, seine Wut zurückzuhalten. Wozu auch? Er war der Layn …
„Ich denke, es wird Zeit zu schlafen“, murmelte er und brachte das Spiel fort. „Bleibst du bei mir?“
Erek sah überrascht auf. „Ihr lasst mir wieder die Wahl?“
„Unter den gleichen Bedingungen
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