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Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Titel: Jenseits der Eisenberge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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ohne auf Yegos Kommentar einzugehen.
    Sie fixierte Lamár mit einem scharfen Blick aus ihren schwarzen Augen, nickte dann schließlich. „Geht und bringt es hinter euch.“
    „Wird es kein Problem mit den Wächtern geben?“, fragte Lamár, als sich plötzlich sämtliche Hüttenbewohner zur Tür wandten.
    „Nein“, sagte Orchym, „die lieben es, wenn Sklaven sich duellieren. Kommt nicht oft vor, meistens sind es Neue wie er, die lieber sterben als arbeiten wollen und deshalb Streit anfangen. Eifersucht, Neid oder sonstige Dinge gibt es natürlich auch.“
    Als Lamár ins Freie trat, hatten die Sklaven bereits einen Ring gebildet, in den sie ihn einließen. Es war so dunkel, dass er zweifelte, Yego überhaupt gezielt treffen zu können. Doch kaum hatte er das gedacht, da tauchten plötzlich von überall her Wächter mit Fackeln und Laternen auf, und aus den umliegenden Hütten strebten Sklaven heraus. Noch mehr Fackeln wurden ausgegeben, und in kürzester Zeit war der Platz hell erleuchtet. Lamár hörte, wie Wetten abgeschlossen wurden, unter den Wächtern wie unter den Sklaven – es schienen genauso viele gegen wie für ihn zu stimmen. Er achtete nicht weiter darauf, sondern zog sein Hemd aus und lockerte die Schultermuskeln. Eine seltsame Ruhe legte sich über ihn. So, als wäre er zuhause angekommen.
    „Alles ist erlaubt. Sieger ist, wer überlebt, oder wenn der Gegner das Bewusstsein verliert, aus dem Ring flieht oder um Gnade bettelt!“, hörte er Arkin verkünden.
    „Sei vorsichtig, Lamár!“, rief Tiko irgendwo hinter ihm. All das interessierte Lamár nicht. Er hatte nur Augen für Yego, studierte seine Bewegungen, suchte nach Schwachpunkten, lauerte auf Anzeichen für einen Angriff. So etwas musste er schon häufig getan haben, wurde ihm bewusst. Er fühlte sich besser als jemals zuvor, seitdem er in diesem Schneesturm erwacht war.
    „Du erinnerst dich also an gar nichts?“, fragte Yego, während sie sich langsam zu umkreisen begannen. Er wirkte auf ähnliche Weise zugleich angespannt und gelöst, wie sich Lamár fühlte.
    „An gar nichts, nein.“ Sie griffen zugleich an, mit Tritten und Fausthieben. Es war mehr ein gegenseitiges Abtasten nach Schwächen in der Verteidigung und Haltung, rasch lösten sie sich wieder voneinander.
    „Du bist in Reytsul ausgebildet“, stellte Yego fest, was Lamár eine Schmerzattacke bescherte, die ihn kurzzeitig fast lähmte.
„Du erinnerst dich an das Wort, ja? Reytsul. Also warst du tatsächlich ein Söldner.“ Yego sprang vor und deckte ihn mit einem Hagel von Schlägen und Tritten ein, die Lamár mühsam abwehrte, bis er endlich einen Angriffspunkt fand, seinen Gegner packte und kraftvoll von sich stieß.
    „Normale Soldaten sind sich meist zu fein für diese dreckige Art zu kämpfen, ohne Regeln und so“, fuhr Yego ungerührt fort. „Es gibt natürlich trotzdem welche, die es lernen, sogar Adlige üben es manchmal, die Götter mögen wissen warum.“ Er täuschte an, versuchte Lamár aus der Deckung zu locken, doch der konterte mit einem hohen Fausthieb, der Yego wieder um einige Schritte zurücktrieb. Sie griffen nun beide an, schneller und härter als zuvor, versuchten alles, um einen Treffer zu landen. Die gelöste Stimmung war verschwunden, tödlichem Ernst gewichen, den Gegner zu Boden zu bringen. Sklaven wie Wächter brüllten, feuerten sie beide mit ekstatischen Rufen an. Yego gelang es als Erstem, Lamárs Verteidigung zu durchbrechen: Er rammte ihm die Faust in den Unterleib, hebelte sein Standbein weg und warf sich sofort auf ihn nieder. Doch Lamár schaffte es sich zur Seite zu rollen, umklammerte Yegos Arm und brachte ihn so zu Fall. Eine Weile lang rangen sie nun beide auf dem Boden, versuchten den anderen niederzudrücken und mit einem Klammergriff bewegungsunfähig zu halten. Lamár gelang es schließlich, Yego in den Rücken zu boxen, gegen die kaum verheilten Peitschenstriemen, und den Moment zu nutzen, in dem sein Gegner vom Schmerz wie gelähmt war. Nur einen Moment später saß er auf ihm, bohrte seine Knie in die Arme des Gegners und umklammerte seinen Kopf. Eine einzige ruckartige Bewegung würde genügen, ihm das Genick zu brechen – der Kampf war beendet. Verwirrend schnell. Einige Herzschläge lang verharrten sie so, rangen schwer um Atem. Stille senkte sich über den Platz.
    „Du hast gut gekämpft“, murmelte Lamár. Alles in ihm wehrte sich dagegen, den besiegten und hilflosen Mann unter ihm einfach umzubringen, doch er

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