Jenseits der Eisenberge (German Edition)
wusste, es musste so sein. Er war es ihm schuldig.
„Ich gehe stolz von dieser Welt, von dir besiegt zu werden ist eine Ehre“, erwiderte Yego gepresst. „Auch wenn ich zuerst gedacht hatte, du wärst inzwischen ein verweichlichter Sklave … Warte nicht zu lange, Söldner ohne Erinnerung.“
„Ich wünschte, es gäbe einen anderen Weg … du bist stark, du könntest fliehen“, flüsterte Lamár ihm ins Ohr.
„Nein, wenn es Aussicht gäbe, es über den Pass zu schaffen, wäre ich schon letzte Nacht geflohen. Lass mich sterben!“
„Mögen die Götter dir gnädig sein.“ Lamár veränderte seinen Griff leicht, sodass er Yego ins Gesicht blicken konnte.
„Mögen sie dir dein Leben zurückgeben. Du gehörst nicht hierher, du bist kein Sklave. Du bist Lamár, der schwarze Söldner. Vergiss das nicht!“
Lamár stutzte – hatte Yego das nur so dahingesagt? Weil er schwarzes Haar hatte? Oder wusste er etwas? Doch er sah aus dem Augenwinkel, dass die Wächter ungeduldig wurden, und ein letzter Blick in Yegos blutüberströmtes Gesicht sagte ihm, dass er von diesem Mann das letzte Wort gehört hatte.
„So geh und sei frei!“, wisperte er. Ein harter Ruck. Es krachte grauenhaft. Dann glitt er von Yego herab und drehte den Toten auf den Rücken. Als er aufstand, spürte er alle Treffer, die er erlitten hatte, alle Prellungen und Quetschungen und Abschürfungen am ganzen Leib. Trauer erfasste ihn beim Anblick des stolzen Mannes, den er zerbrochen hatte. Wut auf die Sklavenhändler, dass sie versucht hatten, einen Löwen wie Yego zu einem Arbeitsochsen zu beugen. Zufriedenheit darüber, dass er ihm einen Tod schenken konnte, der diesem Krieger die Würde gewahrt hatte.
„Wie gefährlich bist du, Lamár?“, zischte eine kalte Stimme hinter ihm. Mattin.
Ohne zu zögern sank Lamár in die Knie, mit dem Rücken zu diesem verhassten Mann, und bot ihm den schutzlosen Nacken dar.
„Ich bin nicht gefährlich, Mebana“, sagte er fest. „Ich kann kämpfen, aber das kann jeder Kettenhund auch. Ich gehorche Eurem Befehl und werde niemals versuchen zu fliehen.“
„Und warum sollen wir dir glauben?“, fragte Pocil, der hinzugetreten war.
„Dies ist mein Zuhause, Mebana, wohin sollte ich denn fliehen wollen? Meine Vergangenheit ist tot. Lamár der Söldner, wenn es ihn je gab, er ist tot. Ich bin Lamár der Sklave.“
„Steh auf und geh schlafen“, befahl Pocil. „Ihr alle, zurück in die Hütten! Es ist Nacht, geht, wohin ihr gehört!“
Lamár stand auf und sah, wie man ein Tuch über Yego breitete und ihn forttrug.
„Morgen früh wird er von den Feldsklaven bestattet werden, mit Feuer und Erde, wie es den Göttern gefällig ist“, sagte Arkin leise und stützte Lamár, ohne sich um dessen Protest zu kümmern. „Es gab Zeiten, in denen tote Sklaven einfach in den Fluss geworfen wurden, aber Layn Kumien hat damit Schluss gemacht. Es schadet dem Wasser und noch mehr der Arbeitswilligkeit. Komm, Irla wird dich versorgen, damit du Morgen in die Mine steigen kannst.“
Lamár wurde von allen Seiten berührt, er spürte die anerkennenden Blicke der anderen Sklaven. Sie wussten, warum er Yego getötet hatte.
Und so widersinnig es scheinen mochte, er wusste nun, dass hier sein Platz war. Genau hier. Und diese Gewissheit schenkte ihm den Frieden, den er so lange vergeblich gesucht hatte.
14.
„Ich möchte dir etwas zeigen, Erek.“ Kumien lächelte, als der junge Mann zusammenfuhr – er hatte sich mal wieder tief in einem von Kumiens zahllosen Büchern verloren und darum nichts gehört, als die Tür geöffnet wurde. Seit fünf Tagen erst war Erek hier, doch irgendetwas war in dieser Zeit geschehen. Kumien spürte, dass er sich veränderte, ein wenig fürchtete er sich davor. Er konnte nicht sicher sein, dass er dieses Spiel gewann, denn hier in Irtrawitt war man an so etwas nicht gewöhnt. Mittlerweile durfte sich sein Gefangener frei im Palast bewegen, die Diener standen zu seiner Verfügung. Eine Macht, die Erek nicht ausnutzte, sondern mit einer Selbstverständlichkeit hinnahm, wie es keinem Bastardsohn eines bedeutungslosen Großherrn möglich sein konnte. Kumien wusste genau, dass Erek ihn belog, mehr noch: Er wusste, dass Erek sich dieser Tatsache ebenfalls bewusst war und verzweifelt darum kämpfte, sich nicht noch mehr zu verraten.
Die Götter mögen wissen, wie ich in so etwas hineingeraten konnte, aber hoffentlich hört es so bald nicht wieder auf!
Die Andeutung eines Lächelns stand in
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