Jenseits der Eisenberge (German Edition)
Reitstiefel und einen warmen Umhang geben, wir reiten aus“, sagte Kumien, als sie die Bibliothek verlassen hatten. Der stämmige Diener wartete bereits, Lys fühlte sich einmal mehr dem kalten, leidenschaftslosen Blick dieses Mannes ausgeliefert, den er in den vergangenen Tagen fürchten gelernt hatte. Maggarn stand dem gesamten Haushalt des Palastes vor, ihm entging nichts, keine Schwäche, kein Fehler – gleichgültig, ob es sich um Tischgedecke oder Menschen handelte. Kumien schritt an Maggarns Seite voraus, Lys folgte langsamer, seine Blessuren schränkten ihn noch immer etwas ein. Plötzlich fiel ihm etwas auf, verdutzt sah er genauer hin.
Ihre Bewegungen … Nun schau nur …
Als er Maggarn in die Kleiderkammer folgte, nutzte er die Gelegenheit, einen intensiven Blick in das Gesicht des Dieners zu riskieren. Während er Stiefel anprobierte, bis er ein passendes Paar gefunden hatte, durchdachte er alle Möglichkeiten, bis er innerlich zufrieden lächelte. Dieses Wissen würde ihm nichts nutzen, doch es war immer schön, ein Rätsel gelöst zu haben.
Im Stall wartete Kumien bereits auf ihn.
„Ich vermute zwar, dass du ein guter Reiter bist, da dein Vater ja keine Mühen gescheut hat, dich auszubilden …“ Er grinste herablassend. „Aber ich will dich gar nicht erst in Versuchung führen, einen Fluchtversuch zu wagen, deshalb wirst du mit mir reiten.“
Lys betrachtete seufzend den kräftigen Falben, der keine Schwierigkeiten haben würde, zwei Männer zu tragen und schwang sich dann in den Sattel. Wie erwartet stieg Kumien hinter ihm auf und schlang sofort einen Arm um seinen Bauch. Alle ironischen Bemerkungen, die ihm dazu einfielen, musste er wohl oder übel herunterschlucken. Er war der Sklave des Layns, sein Leben hing allein von der Gnade dieses Mannes ab.
„Ich brauche keine Begleitung“, beschied Kumien den Wachsoldaten am Tor, die von dem unangekündigten Erscheinen ihres Herrn überrumpelt waren. „Ich reite nach Westen, in etwa zwei Stunden werde ich zurück sein.“
„Mebana.“ Die Wächter senkten ehrerbietig den Kopf. Lys studierte Haltung und Miene der Männer und konnte kein Zeichen für versteckten Groll oder Unzufriedenheit finden. Kumien herrschte beinahe wie ein Gott über dieses Land, und seine Untertanen schienen glücklich damit zu sein.
Kumien hatte es nicht eilig, er ließ den Falben im Schritt gehen und nutzte die Gelegenheit, sich von Ereks Nähe foltern zu lassen. Den schlanken, sehnigen Leib an sich pressen zu dürfen, seine Wärme und die unwillkürlichen Bewegungen zu genießen, zu denen das Pferd sie beide zwang, war wundervoll. Erek wehrte sich nicht, als Kumien sacht über seinen Bauch zu streicheln begann, dabei allerdings strikt über der Tunika blieb. Der junge Mann musste spüren, welche Wirkung seine Nähe auf Kumiens Lenden ausübte, dennoch versuchte er nicht einen Augenblick lang, von ihm abzurücken. Begeistert drückte Kumien seine Nase in Ereks dichtes Haar und sog seinen Duft tief ein.
„Ihr habt Euch geirrt“, sagte Erek unvermittelt.
„So?“
„Ich bin kein guter Reiter. Ich kann mich selbstverständlich auf einem Pferd halten und komme auch ans Ziel, aber ein Wettrennen habe ich nie gewonnen. Mein Bruder war zumeist der Sieger.“
Kumien spürte den tiefen Ernst, der Erek bewegte und wusste, er sagte die Wahrheit.
„Du vermisst ihn, nicht wahr?“, murmelte er. Erek nickte stumm und seufzte.
„Ich kann kaum glauben, dass er einfach nicht mehr da ist. Wie er dalag, und all das Blut … Ich bin schuld an seinem Tod.“
„Das mag sein, ich war nicht dabei“, erwiderte Kumien bedächtig. „Du wirst lernen müssen, mit der Schuld und deinem Verlust zu leben.“
„Ich weiß.“ Erek blickte über die Schulter und lächelte traurig. „Ich weiß nur nicht, wie viel Schuld ein Mann ertragen kann, bevor er zusammenbricht …“
„Das ist bei jedem anders.“ Kumien runzelte unwillig die Stirn, er mochte diese niedergedrückte Stimmung nicht, die Erek erfasst hatte.
„Mein Bruder und unser Vetter haben mich begleitet, um mir zu helfen“, flüsterte Erek und senkte den Kopf. „Sie wollten nicht, dass ich allein nach Irtrawitt gehe und den Mann suche, den ich liebe.“
„Und warum glaubst du, dass dieser Mann hier zu finden ist?“
„Er wurde entführt und die Spuren besagen, dass er hierhin gebracht wurde. Ich fürchte, er ist als Sklave verkauft worden.“
Kumien streichelte eine Weile lang schweigend über Ereks
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