Jenseits der Eisenberge (German Edition)
dem Gesicht flach auf dem rauen Gestein lag. „Ich schätze dein kluges Köpfchen sehr, und du ahnst nicht, wie geehrt du dich fühlen darfst, dass ich dich nicht mit Gewalt nehme. Für gewöhnlich übe ich nicht so viel Rücksicht!“
Lys gab jeden Widerstand auf und wartete, was nun geschehen würde. Kumiens Griff schmerzte und es war beunruhigend, den Abgrund nur einen knappen Schritt entfernt zu wissen. Einige Atemzüge lang hielt der Layn ihn noch fest. Dann entspannten sich die Finger, die wie Stahlkrallen in seinen Nacken gebohrt waren. Lys verharrte in der demütigenden Haltung, auch nachdem er freigegeben worden war. Als er eine Berührung am Rücken spürte, fuhr er leicht zusammen.
„Komm zu mir, Erek“, befahl Kumien leise. Gehorsam richtete sich Lys auf und wandte sich dem Layn zu, der seitlich von ihm stand, ließ zu, dass er in eine Umarmung gezogen wurde.
„Ich will dich besitzen, nicht zerstören. So jemanden wie dich habe ich mir ein Leben lang gewünscht. Jemanden, der mir Widerstand leistet, ohne zu rebellieren, der eine eigene Meinung besitzt, statt alles nachzuplappern, was ich sage. Jemanden, der ebenso klug wie schön ist und mir helfen kann, dieses Reich zu führen. Ich habe zwar vertrauenswürdige und kluge Berater, sogar welche, die mir offen sagen können, dass ich mich irre. Aber keinen Gefährten . Ich brauche dich.“
Aufgewühlt schmiegte sich Lys an die starke Brust dieses Mannes, der so gefährlich war. Er wusste, Kumien konnte ihn jederzeit vernichten und würde es ohne zu zögern auch tun, sollte dies politisch notwendig sein. Es bestand nicht der geringste Zweifel, dass der Layn eine solch wichtige Spielfigur wie ihn benutzen würde, um König Maruv zu stürzen. Die einzige Möglichkeit, Kirian eventuell noch lebendig zu finden würde darin bestehen, Kumien alles anzuvertrauen.
Und das wäre Kirians Tod und mein Ende und vermutlich der Untergang aller, die ich beschützen will.
Wenn er aber schwieg, wenn er sich Kumien unterwarf, könnte er zumindest seinen Sohn in Sicherheit wissen und womöglich im Laufe der Zeit genug Macht erringen, um das Geschick von Onur zu bestimmen. Ich müsste Kirian opfern …
Lys kämpfte lange mit sich. Er musste sicher sein, dass er nicht aus Schwäche oder Angst nachgab. Er musste sicher sein, dass es keine andere Möglichkeit mehr geben würde. Er musste sicher sein, dass er nicht nachgab, weil er selbst von Kumien genommen werden wollte …
„Ich kann Euch mein Herz noch nicht geben, Mebana“, flüsterte er schließlich. „Aber ich sage damit nicht, dass es Euch niemals gehören kann.“
Schwer atmend löste sich Kumien von ihm und küsste ihm sanft auf die Stirn.
„Mehr wollte ich nicht hören, denn alles andere wäre eine Lüge gewesen.“
Als sie zurück ritten, kämpfte Lys weiter ein hartes Gefecht zwischen Verstand und Seele. Er wusste nicht, wer siegen würde.
15.
„Erek?“
Lys wandte den Kopf und lächelte, als Kumiens Hände sich auf seine Schultern legten. Er hatte gehört, wie sich der Layn an ihn heranschlich, hatte aber so getan, als wäre er in Gedanken versunken. Seit über drei Wochen befand er sich im Palast von Irtrawitt und war die gesamte Zeit über wie ein Prinz behandelt worden. Kumien war ein vielbeschäftigter Mann, trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, sich ihm so oft wie möglich zu widmen. Er nahm ihn mit, wenn er ausritt, um seine Ländereien und Minen zu inspizieren, er hielt Lys immerzu an seiner Seite, wenn er Verhandlungen führte, Geschäfte tätigte, Recht sprach. Lys spürte, dass er dabei nicht nur als möglicher Gefährte eines großen Herrschers auf die Probe gestellt wurde. Die Art, wie Kumien ihn um Rat oder Meinung fragte, bewies, dass er die Lügen durchschaut hatte. Es war schwierig für Lys, sich bescheiden zu geben und über Dinge belehren zu lassen, die er wusste und gut beherrschte. Sein Stolz stand ihm zu oft im Weg, sodass er sich nicht als der wenig gebildete, junge Bastard aus einer rückständigen Provinz präsentieren konnte, der er vorgab zu sein. Es schmeichelte ihm, wenn Kumien ihn lobte und auch wenn er diese Falle erkannte, er tappte wieder und wieder hinein. Als ob der Layn alle seine Schwächen und Stärken kannte und mit ihnen spielte wie eine Katze mit der Maus …
Wenn der Layn keine Zeit für ihn hatte, wurde Lys von Dienern umschwärmt, die ihm jeden nur erdenklichen Wunsch erfüllten, und es gab keinen Ort im Palast, zu dem er keinen Zugang hatte.
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