Jenseits Der Grenze
sicher, dass du kein Diktator sein willst?«
»Ja.« Allerdings brachte sie ihn damit auf einen anderen Gedanken. »Wir wissen, die Regierung fürchtet sich vor dieser Flotte. Sie hat Angst vor dem, was ich mit der Flotte im Rücken tun könnte. Aber jetzt haben sie dafür gesorgt, dass sich bei uns noch mehr Leute befinden, die einen Militärputsch befürworten würden. Entweder ist das völlig irrational oder so genial verdreht, dass es nur scheinbar keinen Sinn ergibt.«
»Und was ist, wenn diese geheimen Befehle die Sicherheit der Flotte gefährden?«
»Das wissen wir nicht …«
»Wir wissen auch alles andere nicht«, fiel sie ihm ins Wort, sprang von ihrem Sessel hoch und ging zur Luke, um sie wütend aufzureißen. »Das ist das Gleiche wie bei den Aliens.«
»In solchen Fällen ist ein gewisses Maß an Desorientierung ganz normal«, erklärte der Chefarzt der Flotte an Geary gewandt. »Aber für diese Individuen sind die Schwierigkeiten bei der Eingewöhnung deutlich ausgeprägter. Es war eine gute Idee, so viele von ihnen auf die Mistral zu bringen, denn so konnte ich sie persönlich untersuchen.«
Geary nickte lächelnd, als wäre das tatsächlich seine vorrangige Absicht gewesen.
»Bezeichnen Sie mich ruhig als altmodisch«, fuhr der Arzt fort, »aber ich glaube, dass selbst die beste virtuelle Untersuchungssoftware Dinge übersieht. Für sich betrachtet nur Kleinigkeiten, aber von entscheidender Bedeutung bei der Beurteilung eines Individuums.«
»Können Sie Ihre Eindrücke zusammenfassen?«, fragte Geary.
»Das habe ich bereits gemacht.« Der Mediziner zögerte. »Ich schätze, ich könnte noch etwas mehr ins Detail gehen. Sie alle haben mindestens mehrere Jahre in einem Syndik-Arbeitslager zugebracht, viele von ihnen sogar mehrere Jahrzehnte. Sie haben sich daran gewöhnt, sich in einem eng gefassten Gebiet zu bewegen, sich den Vorschriften anderer unterzuordnen, ohne etwas dagegen einwenden zu können.«
Das klingt ganz so wie beim Militär, dachte Geary.
»Aber hinzu kommt, dass gewisse Konstanten sich verändert haben. Der Krieg ist vorüber, und damit ist ein wesentlicher Faktor einer als unveränderlich wahrgenommenen Realität verschwunden. Anders als bei uns, die wir als freie Menschen die Entwicklung der jüngsten Zeit miterleben konnten, werden sie nun schlagartig mit komplett neuen Verhältnissen konfrontiert. Sie müssen erfahren, dass jenseits des von Menschen besiedelten Alls eine fremde, intelligente Spezies existiert. Und dann wären da auch noch Sie, dieser Black Jack, der allen rationalen Erwartungen zum Trotz wahrhaftig von den Toten auferstanden ist – natürlich nur im übertragenen Sinn. Und dann haben Sie auch noch das Unmögliche möglich gemacht. Diesen ehemaligen Gefangenen muss das so vorkommen, als wären sie in einer Traumwelt gelandet, aber nicht in dem Universum, in dem sie vor ihrer Gefangennahme lebten.«
Der Flottenarzt schaute vor sich ins Leere, seufzte einmal und konzentrierte sich dann wieder auf Geary. »Bei diesen Gefangenen hat sich ein weiterer besonderer Faktor gezeigt. Wie Sie vermutlich bereits wissen, handelt es sich größtenteils um recht hochrangige Offiziere. Vor ihrer Gefangenschaft waren sie daran gewohnt, dass sie das Sagen hatten oder dass sie einen beträchtlichen Einfluss auf die Dinge nehmen konnten, die sich um sie herum abspielten. Viele von ihnen glaubten, wegen ihrer eigenen Fähigkeiten eine außergewöhnliche und sehr persönliche Rolle im Krieg zu spielen. Sie glaubten, dass das Schicksal Großes für sie vorgesehen hatte. Es gibt für diese Überzeugungen einen medizinischen Begriff.«
Geary konnte seinerseits einen Seufzer nicht verhindern. »Das Geary-Syndrom.«
»Genau! Davon haben Sie gehört?«, fragte der Arzt überrascht, als sei es für ihn fast unvorstellbar, dass ein Nicht-Mediziner mit diesem Begriff vertraut war.
»Man hat mich darauf hingewiesen.«
»Dann bin ich mir sicher, Sie können verstehen, dass es für diese Leute schwer zu akzeptieren ist, mit einem Mal in dieser Flotte keinerlei Autorität zu besitzen, obwohl sie den nötigen Dienstgrad und auch das entsprechende Dienstalter vorweisen können. Viele von ihnen haben trotz ihrer Gefangenschaft daran geglaubt, die Syndiks besiegen und die Allianz retten zu können. Dieser Glaube hat sie durchhalten lassen. Aber Sie haben diesen Krieg bereits gewonnen und damit jenen Männern und Frauen ihrem Gefühl nach ihr eigenes Schicksal weggenommen.«
Er
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