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Jenseits Der Schatten

Titel: Jenseits Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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wissen will, ist, was es bedeutet. Warum sollte ich eine solche Fähigkeit haben - oder eine solche Gabe oder einen solchen Fluch? Warum sollte Gott so etwas tun?«

    »Ah, ich verstehe. Du hoffst, dass ich dir irgendeine Art von Rechtfertigung für Königsmord liefern kann.«
    Kylar warf dem Spion, der mit einem vollen Tablett zurückkam, mörderische Blicke zu. Der Mann wechselte abrupt die Richtung und ließ das Tablett um ein Haar fallen. »Die Existenz einer solchen Fähigkeit liefert Hinweise auf meinen Daseinszweck, nicht wahr?«
    Wieder wirkte Drake nachdenklich. »Das hängt davon ab, was du siehst. Siehst du Verbrechen oder Sünde oder einfach Schuldgefühle? Wenn es sich um Verbrechen handelt, siehst du alle Verbrechen angefangen von Mord bis hin zu der Errichtung eines Marktstandes ohne Genehmigung? Wenn du in einem anderen Land bist, wo eine Tat gegen das Gesetz verstößt, die hier legal wäre, wird ein Mann, der die Grenze überquert, dann anders aussehen? Wenn du Sünde siehst, wirst du herausfinden müssen, wessen Definitionen von Sünde Gültigkeit haben, denn ich garantiere dir, dass mein Gott und die hundert Götter nicht einer Meinung sind oder auch nur Astara und Ishara. Wenn das, was du siehst, Schuldgefühle sind, wirkt dann der Wahnsinnige ohne Gewissen reiner als das Mädchen, das glaubt, seine Eltern seien bei einem Unfall gestorben, weil es mit der Behauptung, es habe seine Arbeiten verrichtet, gelogen hat?«
    »Scheiße«, sagte Kylar. »Wie kommt es, dass jeder, den ich kenne, klüger ist als ich? Was immer es ist, ich sehe das Unreine. Ich will wissen, ob das beinhaltet, dass ich die Pflicht habe, in Bezug auf die Dinge, die ich sehe, etwas zu unternehmen.«
    »Du versuchst wohl, das Sollen vom Sein herzuleiten, wie?«, fragte Drake.
    »Was?«
    »Sie mag den Tod verdienen, Kylar, aber du solltest sie nicht töten.«

    »Alle werden besser dran sein, wenn ich es tue.«
    »Bis auf dich und mich und meine Tochter und Logan und Momma K und jeden, der dich liebt.«
    »Wie meint Ihr das?«, fragte Kylar verwirrt.
    »Logan wird dich zum Tode verurteilen, und dein Verlust wird uns zutiefst verletzen.«
    Kylar schnaubte. Schöner Verlust. »Danke für alles, was Ihr für mich getan habt, Herr, und für alles, was Ihr zu tun versucht habt. Es tut mir leid, dass ich Euch einen so hohen Preis gekostet habe.«
    Graf Drake neigte den Kopf und schloss die Augen, wobei er sich schwer auf seinen Stock stützte. »Kylar, ich habe in diesem Jahr meine Frau und zwei Töchter verloren. Ich weiß nicht, ob ich es ertragen kann, noch einen Sohn zu verlieren.«
    Kylar drückte die Schulter des Mannes und staunte darüber, wie zerbrechlich sie sich anfühlte. Dann sah er dem Grafen in die Augen. »Nur damit Ihr es wisst«, sagte Kylar, »Ihr besteht.«
    »Ich tue was?«
    Kylar schenkte dem Mann, der einst ganz allein die Sklaverei in Cenaria eingeführt und wieder abgeschafft hatte, ein schiefes Grinsen. »Was immer ich sehe - Schuld oder was sonst -, Ihr habt es nicht. Ihr seid rein.«
    Ein Ausdruck verblüffter Ungläubigkeit huschte über Drakes Züge, gefolgt von etwas, das Ehrfurcht glich. Er stand wie gebannt da.
    »Möge Gott Euch segnen, Herr. Ihr habt es gewiss verdient.«

48
    Dorian und Jenine saßen zusammen im Garten. Er hatte sein Gefolge entlassen, und eine Weile hatten sie dagesessen, ohne zu sprechen. »Es tut mir leid, dass ich diesen Vürdmeister getötet habe«, sagte Dorian.
    Jenine blickte überrascht auf. »Warum? Weil es mich aufgeregt hat oder weil es falsch war?«
    Nach kurzem Zögern antwortete Dorian: »Ich hätte mit ihm auf eine weniger … brutale … Art und Weise verfahren können.«
    »Er war verantwortlich für diese Edelinge, nicht wahr?«
    »Ja«, bestätigte Dorian.
    Jenine pflückte eine rote Blume mit sechs Blütenblättern, auf denen sich jeweils ein purpurner Stern abzeichnete. Die Khalidori betrachteten eine blühende Sternblume als ein Omen, das großes Glück versprach, weil diese Pflanzen nur einmal alle sieben Jahre blühten. Entsprechend bedeutete eine verwelkte Sternblume das schlimmste Unglück. In diesem Garten blühten sie ständig, aber jede Blüte verwelkte eine Stunde, nachdem sie gepflückt worden war. Leben zu erhalten gehörte nicht zu den Stärken der Vir.
    Nachdem sie die Blume in ihren Fingern lange Sekunden betrachtet hatte, sagte Jenine leise: »Mein Herr, Ihr wisst sicher, dass mein Vater ein Narr war. Was die meisten Menschen nicht wissen: Meine

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