Jenseits Der Schatten
Statuen signiert hatte, als seien sie ihre Kunstwerke. Der Raum wurde heller, als Logan tropfnass und nackt aufstand, ohne das Handtuch zu bemerken, das eine seiner Leibwachen ihm hinhielt.
Jenine war höchstwahrscheinlich jetzt eine dieser Frauen. Selbst wenn er sie zurückbekommen konnte, bestand durchaus die Möglichkeit, dass sie den Verstand verloren hatte. Wie dem auch sein mochte, sie würde nicht die Frau sein, die er verloren hatte. Darauf musste er gefasst sein, musste bereit sein, eine Frau zu lieben, die gebrochen und unrettbar verwundet war. Diese verfluchten Ungeheuer. Weißgrünes Leuchten erhellte den Raum, als Logans Zorn seinen Gipfel erreichte. Er schloss die Augen und atmete aus. Er bezwang seine Entrüstung, seinen Zorn über seine eigene Unwissenheit, seine Ungeduld und seinen Hass. Er kühlte sie ab
und formte sie für seine Zwecke. Was würde es nützen, zu brüllen und in seiner eigenen Burg Dinge zu zerschmettern, während Jenine in Khalidor schmachtete?
Logan öffnete die Augen und bemerkte, dass Kaldrosa und Pturin, sein kleiner, ymmurischer Wachposten, ihn anstarrten. Die weißgrünen Linien, die in seinen Unterarm geritzt waren, verblassten. Logan ergriff das Handtuch.
»Die, ehm, langärmlige Robe?«, fragte Kaldrosa.
»Immer. Vielen Dank.«
Die Sonne ging auf, als Logan und sein Gefolge die Bühne erreichten, wo Kylar starb. Das langsame Knirschen der Zahnräder, das Zischen der Strömung des Plith und das Ächzen der Ledergurte, wenn Kylars Gewicht sich verlagerte, waren die einzigen Geräusche. Blut tropfte herab, wo ihm Klingen Arme, Achseln, Rippen und Beine durchstoßen und nur die Taille verfehlt hatten, wo der Gürtel ihn festhielt. Blut tropfte von Fäusten, die um die scharfkantigen Griffe geballt waren. Blut strömte ungehindert von seiner Kopfhaut und seinen Schläfen und weigerte sich zu gerinnen, weil jede Drehung seinen Kopf unter Wasser tauchte. Er war ein Mann, gemalt in Blut. Und noch immer atmete er.
Da war noch ein Mann, der Kylar im Licht der Morgendämmerung beobachtete. Es war Lantano Garuwashi. Bei Logans Nahen wandte er sich nicht um.
Das Rad drehte Kylar auf die Seite. Da er keine Kraft mehr hatte, seinen Körper zu halten, glitt er auf die Spitzen auf der unteren Seite. Als er einatmete, führte diese Bewegung dazu, dass die Dornen die Löcher in seiner Brust vergrößerten. Blut quoll daraus hervor, und als er auf den Kopf gedreht wurde, unternahm er einen schwächlichen Versuch, sich aufrecht zu halten, doch es war vergebens. Sein Kopf kratzte über drei Dornen, Dutzende
weitere bohrten sich in seine Schultern und seine Arme. Er holte tief Atem, bevor sein Kopf unter Wasser geriet.
Logan krampfte sich der Magen zusammen. Es kostete ihn Anstrengung, sich nicht zu übergeben. Er war gekommen, um den Leichnam seines Freundes abzuholen, nicht, um ihn leiden zu sehen, nicht, um ihn sterben zu sehen.
Kylars Stärke musste erst vor wenigen Minuten nachgelassen haben. Es war unmöglich, dass ein Mann so heftig und so lange blutete, ohne zu sterben. Also stand Logan mit Lantano Garuwashi da und beobachtete eine Minute lang, was er getan hatte, dann fünf Minuten. Fünf Minuten dehnten sich zu unerträglichen zehn, und noch immer zeigte Kylar keine Anzeichen, noch schwächer zu werden. Es war unglaublich, unmöglich.
»Seht Euch seine Füße an«, flüsterte Garuwashi.
Lange Sekunden verstand Logan nicht, was Garuwashi meinte. Da war nichts Bemerkenswertes an Kylars Füßen. Ihnen zumindest war eine Verletzung erspart geblieben. Dann fiel es Logan wieder ein. Als man Kylar ans Rad gebunden hatte, hatten die Wachen ihn hinschleifen müssen, weil ein Stein ihm einen Fuß zerschmettert hatte. Ein anderer hatte bewirkt, dass er auf einem Auge blind geworden war. Jetzt waren beide Füße und beide Augen unversehrt. Aus Logans flüchtiger Ungläubigkeit wurde Staunen und dann Entsetzen.
Das Rad war dazu gedacht, Verrätern einen qualvollen Tod zu bescheren. Normalerweise dauerte es Stunden. Kylars Wunden heilten jedoch mit unglaublicher Schnelligkeit. Das Rad würde ihn irgendwann töten, aber nach einem Tag machte er den Eindruck eines Mannes, der weniger als eine Stunde am Rad gehangen hatte. Solche Grausamkeit hatte Logan niemals beabsichtigt. Daneben wirkte das Loch human.
»Ihr habt das Richtige getan«, schreckte Kylars Stimme Logan
auf. Seine Augen waren offen, klar. »Geht, mein König. Ich werde hier noch eine Weile abhängen.« Er versuchte zu
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