Jenseits Der Schatten
ist die Sprecherin? Sie hat mich bestohlen«, sagte Kylar.
»Du wirst keinen Schritt weitergehen!«, empörte sich Schwester Ariel. Ihr Gesicht war purpurrot.
»Haltet mich auf«, erwiderte Kylar. Er konnte erkennen, dass sein Grinsen sie wütend machte.
Schneller, als er es für möglich gehalten hätte, tat sie es. Gewaltige Ketten aus Magie fesselten ihm die Arme an den Leib und banden seine Beine zusammen. Die Magae um Schwester Ariel herum rissen im Angesicht ihrer schieren Macht die Augen auf.
~Das hast du verdient. Lass es dir gefallen, entschuldige dich und komm später zurück.~
Kylar hatte genug davon, sich etwas gefallen zu lassen, sich zu entschuldigen und zurückzukommen, wenn es für jemand anderen
passend war. Er war es leid, in der Falle zu sitzen. Er spürte, wie etwas Mächtiges in ihm aufstieg.
Was immer es war, das Schwester Ariel sah, es machte ihr offensichtlich Angst. Kylar füllte seine Lunge tief mit Luft und spannte jeden Muskel in seinem Körper an, physisch und magisch. Er fühlte sich plötzlich riesig; sein Körper war ein winziges Gefäß für eine riesige Seele. Während er sich gegen die Fesseln stemmte, kam ihm ein Stöhnen über die Lippen, das tiefer war als seine Stimme.
Seine Ketten zersprangen, auseinandergerissen mit einem magischen Widerhall, der durch den Raum peitschte. Die Tische bewegten sich nicht, die Luft regte sich nicht, aber alles Magische wurde zermalmt. Jeder Nimbus im Raum erlosch. Nur einige wenige hielten noch einen Moment lang stand, bevor sie zerplatzten und verwehten.
Ein Dutzend der stehenden Magae klappte einfach zusammen und fiel auf Bänke oder auf den Boden. Niemand sonst bewegte sich, nicht einmal Schwester Ariel. »Was bist du?«, flüsterte sie. Ihre Augen stellten die gleiche Frage.
»Aus dem Weg«, befahl Kylar. Er machte einen Schritt nach vorn. Sie gehorchten.
76
Istariel Wyant betrachtete den unberührten Ootai des alitaerischen Botschafters. Marcus Guerin ging auf die fünfzig zu; er war kahl mit einem Kranz blonden Haares um den Schädel, einem kleinen Bierbauch, einem nicht vorhandenen Hinterteil und einer rastlosen Intelligenz in den blauen Augen.
»Es gibt da einige beunruhigende Gerüchte, die uns zu Ohren gekommen sind und über die wir meiner Meinung nach reden müssen«, sagte Botschafter Guerin.
Istariel nutzte die Gelegenheit, um einen Schluck Ootai zu nehmen und so ihren plötzlichen Zorn zu kaschieren. Jemand hatte den Alitaeri gegenüber davon gesprochen? Wenn er von Vis Übungen erfahren hatte, dann war das eine Sache, aber Istariel hatte nur drei Schwestern von ihrem Plan erzählt, sich von dem Abkommen zu distanzieren. Wenn er davon wusste, war das Verrat. Sie zog lediglich eine Augenbraue hoch.
»Was wisst Ihr über diesen ›Hochkönig‹?«, fragte er.
Oh, diese Gerüchte. Dank sei dem Seraph. »Wenig«, entgegnete sie. In seinen Augen stand ein Funkeln, das in ihr die Frage weckte, ob er dies mit Absicht getan hatte. Bastard. »Was wir gehört haben, hat uns lediglich verraten, dass Ihr mehr wissen solltet als wir. Er ist Alitaeraner, oder zumindest wurde er in Eurem ruhmreichen Land erzogen. Sein Name ist Moburu Ander, obwohl er behauptet, in seinen Adern fließe das Blut der Ursuuls. Wir wissen, dass
er halb Lodricari ist, er hat als Hauptmann eine Kompanie Lanzenträger geführt, und er hat unter den Wilden des Frostes eine wichtige Position erlangt.« Sie wusste mehr, aber es machte keinen Sinn, es Botschafter Guerin zu erzählen.
»Er ist der Adoptivsohn von Aurelius Ander, aus einer einst mächtigen Familie, die während der letzten beiden Generationen tief gefallen ist. Moburu wurde mit fünfzehn adoptiert, und über sein Vorleben können wir nirgendwo Unterlagen finden, daher schenken wir seiner Behauptung, väterlicherseits ein Ursuul zu sein, einen gewissen Glauben.«
»Ich bezweifle, dass ein Fehlen von Unterlagen genug war, um Euch davon zu überzeugen, dass er ein Ursuul ist«, sagte Istariel.
Der Botschafter strich sich über den Schnurrbart. »Der Hauptmann besitzt sowohl Intelligenz als auch Ausstrahlung. Es wurde niemals irgendetwas gefunden, das ihn direkt mit den Skandalen und dem Verschwinden einiger Personen in Verbindung bringt, die in seinem Kielwasser nicht allzu selten zu sein schienen. Im letzten Herbst gebar die Schwester des Königs eine Tochter, Yva Lucrece Corazhi. Die Kleine und ihre Amme verschwanden. Gleichzeitig führte Moburu seine Kompanie - vollzählig - an einen Ort
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