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Jenseits Der Schatten

Titel: Jenseits Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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dasselbe schöne, traurige Lächeln.
    Und er liebte sie. Möge der Gott, der ihn gerettet hatte, Barmherzigkeit walten lassen, er konnte nicht glauben, dass es so schnell ging. Er hatte niemals an Liebe auf den ersten Blick geglaubt. Etwas Derartiges konnte gewiss nur Vernarrtheit oder Verlangen sein, und er konnte nicht leugnen, dass er beides empfand. Aber bei ihrem Anblick hatte er das seltsame Gefühl, einer alten Freundin zu begegnen. Sein modainischer Freund Antoninus Wervel behauptete, solche Dinge passierten, wenn Menschen, die einander in früheren Leben gekannt hatten, sich trafen. Dorian glaubte das nicht. Vielleicht waren es stattdessen seine Visionen.
Auf Schreiende Winde hatte er ganze Wochen in Trance verbracht. Obwohl sein Gedächtnis den größten Teil dieser Bilder ausgelöscht hatte, wusste er, dass er in diesen Visionen Existenzen mit dieser Frau verbracht hatte. Vielleicht hatte ihn das auf die Liebe vorbereitet. Denn er glaubte, dass dies echte Liebe war, dass hier die Frau vor ihm stand, der er Körper und Geist, Seele und Zukunft zu Füßen legen würde, ohne im Geringsten zu zögern. Er würde sie heiraten oder keine. Sie würde seinen Sohn gebären, oder niemand würde es tun.
    Es war entweder das - oder der Wahnsinn, den Dorian so lange gefürchtet hatte, hatte ihn schließlich eingeholt.
    »Man nennt mich Halbmann«, sagte er. »Aber ich bin Dorian Ursuul, der erste anerkannte Sohn und Erbe des Garoth Ursuul. Mein Name wurde schon vor langer Zeit aus den Registern der Zitadelle getilgt, weil ich den Gottkönig und seine Gepflogenheiten verraten habe.«
    »Ich verstehe nicht«, erwiderte sie und runzelte die Stirn. Er hatte diese Stirnfalte in seinen Visionen gesehen, als sie zu einer Sorgenfalte geworden war, die sich dauerhaft zwischen ihren Brauen einnistete. Er musste sich daran hindern, die Hand auszustrecken, um die Falte zu glätten. Das wäre allzu vertraut gewesen. Bei dem Gott, er dachte, er habe alle Verwirrungen seiner prophetischen Gabe hinter sich gelassen! »Warum seid Ihr hier?«
    »Euretwegen, Jeni.«
    Sie versteifte sich. »Ihr könnt mich Euer Hoheit oder - da Ihr offenkundig für Euren Besuch ein großes Risiko eingegangen seid - Jenine nennen.«
    »Ja, natürlich, Euer Hoheit.« Dorian schwirrte der Kopf. Hier war er, selbst ein Prinz, und ein junges Mädchen gewährte ihm die Erlaubnis, sie bei ihrem vollen Namen anzusprechen. Das ärgerte ihn. Und es enttäuschte ihn. Liebe auf den ersten
Blick war schlimm genug, aber herauszufinden, dass sie nicht auf Gegenseitigkeit beruhte … Nun, er hätte sie für flatterhaft gehalten, hätte sie sich ihm an den Hals geworfen, nicht wahr?
    »Ich denke, Ihr schuldet mir eine Erklärung«, sagte sie.
    Dumm, Dorian. Dumm. Sie ist weit fort von zu Hause. Sie hat mit angesehen, wie dein Volk ihr Land in Schutt und Asche legte. Sie ist isoliert. Sie hat Angst - und du zeigst dich in puncto Romantik nicht gerade von deiner besten Seite, nicht wahr?
    Ah, Hölle, sie denkt, ich sei ein Eunuch! Dies war ein hübsches Dilemma. Wie wirft man in eine höfliche Unterhaltung die Information ein: »Übrigens, für den Fall, dass es dich jemals interessieren sollte - ich habe sehr wohl einen Penis.«
    »Ich weiß, es scheint wenig plausibel, Euer Hoheit«, sagte er stattdessen. »Aber ich bin gekommen, um Euch zu rett … um Euch bei der Flucht zu helfen.«
    Sie stemmte die Hände in die Hüften - oh, sie war entzückend! - und erwiderte: »Ah, ich verstehe. Ihr seid ein Prinz. Ich bin eine in einem hohen Turm gefangene Prinzessin. Ihr seid hier, um mich zu retten. Wie drollig. Ihr könnt Garoth erzählen, mir seien die Tränen in die Augen gestiegen, und der Atem habe mir gestockt - und dann könnt Ihr zur Hölle gehen!«
    Dorian rieb sich die Stirn. Wenn ihm nur die Bruchstücke, die ihm von seinen Visionen im Gedächtnis geblieben waren, eine Möglichkeit gegeben hätten, mit Jenis - Jenines - Ärger fertig zu werden.
    »Ich muss nur eines wissen, Euer Hoheit: Wollt Ihr fortgehen und den Tod riskieren, oder würdet Ihr lieber in Eurem behaglichen Turm verbleiben, bis mein Vater - der alt genug ist, um euer Großvater zu sein - herkommt, um Euch Eure Würde zu nehmen, Eure Jungfräulichkeit und Euren Verstand? Ihr seid ein wenig zu alt für die Vorlieben meines Vaters, aber da Ihr eine Prinzessin
seid, bin ich mir sicher, dass er Euch eine Chance geben würde. Wenn Ihr einen magiebegabten Sohn hervorbringt, wird man Euch erlauben zu leben. Ihr

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