Jenseits Der Schatten
unsere Armee in die Schlacht führen«, sagte Terah und strich ihm eine Haarlocke hinters Ohr. »Dir wird nichts geschehen. Ich habe der Wache Befehl gegeben, dich aus allen -«
»Genau darum geht es mir, Ter.« Luc erhob sich vom Bett und begann sich anzukleiden. »Ich habe bei Pavvils Hain nicht gekämpft. Ich habe mich nicht an irgendwelchen Plünderzügen beteiligt. Ich habe in Schreiende Winde nicht gegen Hochländer gekämpft -«
»Sprich jetzt nicht von Logan Gyre.«
»Ich bin der Oberkommandierende der Königlichen Armeen von Cenaria, und meine Erfahrung in der Schlacht beschränkt sich auf den Faustkampf, den ich mit dem Sohn des Schweinehüters hatte. Ich war zehn. Er war acht. Ich habe verloren, und du hast ihn verprügeln lassen.«
»Generäle kämpfen mit dem Gehirn. Deine Späher waren von größter Wichtigkeit für unseren Sieg bei Pavvils Hain«, erwiderte Terah.
»Wie machst du das?«, fragte Luc und hielt mitten im Zubinden seiner Robe inne. »Du packst zwei Lügen in einen einzigen Satz. Es war nicht unser Sieg. Es war Logans Sieg. Warum wir jetzt herrschen, statt dass unsere Köpfe auf Piken stecken, weiß ich nicht. Und als Kommandant der Späher habe ich restlos versagt. Die Männer haben sich gefragt, ob ich das mit Absicht getan habe. Ich war so schlecht, dass sie mich für einen Verräter hielten.«
»Wer hat das gesagt?«, fragte Terah mit funkelnden Augen.
»Das spielt keine Rolle.«
»Was willst du, Luc? Ich habe dir alles gegeben.«
Luc warf die Hände hoch. »Genau das meine ich ja! Du hast mir alles gegeben, was sich ein Mann verdienen kann, nachdem er ein Leben lang -«
»Was willst du?«, fiel sie ihm ins Wort.
»Ich denke, wir sollten aufhören.«
»Aufhören?«
»Du und ich, Ter. Wir. Dies hier.« Er konnte ihr nicht in die Augen sehen.
»Liebst du mich noch?«
»Schwesterchen …«
»Es ist eine einfach Frage.«
»Wahnsinnig«, sagte Luc. »Aber wenn die Leute es herausfinden, werden sie Logan binnen einer Sekunde auf den Thron setzen.«
»Logan wird uns nicht bis in alle Ewigkeit bedrohen.«
»Schwesterchen, er ist ein guter Mann. Ein Held. Du wirst ihn nicht töten.«
Sie lächelte gefährlich. »Sag mir nicht, wie ich herrschen soll, Luc.«
»Terah«, murmelte er.
»Hör mir zu. Du jammerst und stöhnst und nörgelst wie immer. Und ich werde mich darum kümmern, wie immer. Ich gehe die Risiken ein, du erntest den Lohn. Also, warum geht ihr beide, du und dein Gewissen, nicht alle Mägde ficken, während ich eine Schlampe genannt werde.«
»Du erwartest von mir zu glauben, dass du nicht mit all diesen Lords geschlafen hast?«, fragte Luc.
Sie ohrfeigte ihn. »Du Bastard. Keiner von ihnen hat Hand an mich gelegt. Niemals.«
»Man braucht die Hände ja nicht unbedingt dazu.«
Sie schlug ihn abermals.
»Tu das nicht noch einmal«, sagte Luc.
Wieder schlug sie ihn. Er tat nichts.
»Ich erlaube ihnen, mich eine Schlampe zu nennen«, erklärte Terah. »Ich erlaube dir, andere Frauen zu ficken. Ich wache in den Nächten, in denen du mich besuchst, zwei Stunden vor Morgengrauen auf, damit eine Magd meine Laken wechseln kann, so dass meine Wäscherin - die eine Spionin der Sa’kagé ist - keine Beweise von uns findet, wenn sie sie wäscht. Warum? Weil ich dich liebe. Also verdiene ich ein wenig Dankbarkeit.«
Luc hielt ihrem Blick einige Sekunden lang stand, dann ließ er mutlos die Schultern sinken. »Es tut mir leid, Ter. Ich habe nur Angst.«
»Geh und schlaf ein wenig. Und komm nach deinem Sieg zu mir.« In ihrem Lächeln lag ein Versprechen.
In Lucs Augen leuchtete jungenhafte Schelmerei. »Wie wäre es, wenn ich jetzt zu dir käme?«
»Nein«, entgegnete sie. »Gute Nacht, Luc.«
»Bitte?«
»Gute Nacht, Luc.«
Nachdem Luc gegangen war und die Königin eine halbe Stunde lang geschlafen hatte, zog Kylar seinen Klötendolch. Die Klinge war stumpf von den zersetzenden Kräften des Verschlingers.
~Tut mir leid.~
Er streckte die Hand aus, um Terah anzustoßen. Hielt inne. Es gab bedrohlichere Dinge als einen angefressenen Dolch.
Kylar musterte Terah Graesin, wie er gelernt hatte, seine Leichen zu mustern. Sie war eine Frau, deren Haltung und Ruf mehr zu ihrem Reiz beitrugen als die Gaben der Natur. In diesem unbewachten, ungeschminkten Moment sah sie eher aus wie ein mageres Bauernmädchen denn wie eine Königin: Ihre Lippen waren dünn, rissig und farblos. Die Brauen waren winzige Linien. Die Wimpern kurz. Die Nase leicht gebogen. Die milchige
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