Jenseits der Sehnsucht (German Edition)
gefallen.«
Er unterdrückte den Ärger, der in ihm aufstieg. Man brauchte kein Genie zu sein, um zwei und zwei zusammenzuzählen. »Deine Eltern leben in Portland?«
»Stimmt. Keine zwanzig Minuten von meiner Wohnung entfernt.« Sie stieß einen kleinen Seufzer der Erleichterung aus, als sie Richtung Norden auf die Bundesstraße einbog. »Sie werden sich freuen, dich kennenzulernen, vor allem, da Cals gesamte Familie sich bisher so diskret im Hintergrund gehalten hat.«
Das fröhliche Lächeln schwand, als sie seine Miene sah. Dass sie ihre Finger um das Lenkrad klammerte, hatte nichts mit Ärger zu tun, sondern war reine Verzweiflung. »He, nur weil du meine Eltern triffst, heißt das nicht, dass du für den Rest deines Lebens gebunden bist.«
Ihre Stimme klang steif und kalt, und wenn er nicht so sehr in seinem eigenen Unglück verstrickt gewesen wäre, hätte er herausgehört, wie verletzt sie war.
»Von einem Besuch bei deinen Eltern hast du nichts erwähnt.« Fakt war, er wollte diese Leute nicht kennenlernen. Weil er an sie nicht als Menschen denken wollte.
»Ich hielt es nicht für nötig.« Der freie Fuß, der für die Gangschaltung zuständig war, begann unruhig zu wippen. »Mir ist klar, dass sich deine Vorstellung von Familie von meiner unterscheidet, aber ich würde nie in die Stadt fahren und sie nicht besuchen.«
Bittere Galle stieg in seiner Kehle auf. »Du hast keine Ahnung, was mir meine Familie bedeutet.«
»So?« Sie zuckte knapp und eingeschnappt mit einer Schulter. »Sagen wir einfach, ich gehe davon aus, dass du kein Problem damit hast, Familienmitglieder für längere Zeit zu ignorieren. Nun, das ist deine Sache.« Sie fuhr fort, bevor er etwas erwidern konnte. »Du bist nicht verpflichtet mitzukommen, wenn ich meine Familie besuche.« Ihre Finger trommelten jetzt den gleichen Takt wie ihr Fuß. »Um genau zu sein, ich brauche nicht mal deinen Namen zu erwähnen.«
Er hielt sich vorsichtig zurück. Wenn er jetzt etwas sagte, könnte es durchaus sein, dass zu viel von seinen Gefühlen herausschlüpfte. Und das würde unweigerlich weitere Erklärungen notwendig machen.
Sie ahnte ja nicht, was er fühlte. Für sie war alles so einfach und unkompliziert. Sie brauchte nur in dieses erbärmliche Modell eines Transportmittels zu hüpfen und ein paar Stunden auf einem sogenannten Highway zu verbringen, und sie würde ihre Familie sehen können. Der aktuelle Stand des Kommunikationsnetzes erlaubte es ihr, auch über große Entfernungen mit ihren Eltern zu reden, selbst wenn sie auf der anderen Seite des Planeten sein sollte. Die Technologie des zwanzigsten Jahrhunderts bot ihr diese Verbindung.
Sie hatte keine Ahnung, was es bedeutete, getrennt von der Familie zu sein. Was es hieß, einen Teil von sich selbst zu verlieren und nicht zu wissen, warum. Wie würde sie wohl reagieren, wenn sie vor der Möglichkeit stand, ihre Schwester nie wiederzusehen?
Auf jeden Fall wäre sie dann nicht so verflucht überheblich.
Für die nächste Stunde beschäftigte Jacob sich damit, in Gedanken die anderen Autos auf der Straße zu verreißen. Lächerlich klobig, grotesk langsam und aberwitzig ineffizient. Kohlendioxydschwaden stiegen auf, und die Menschen hier verpesteten unbedarft weiter die Luft. Sie haben absolut keinen Respekt, dachte er. Weder für sich selbst noch für ihre Ressourcen und schon gar nicht für ihre Nachkommen.
Und da behauptete sie, er sei anstrengend.
Was wohl passieren würde, wenn er einfach ins nächste Labor marschierte und ihnen die Prozedur für eine Fusion erklärte? Wahrscheinlich würden sie ihn zum Gott erklären und ihm Opfer darbringen.
Er lehnte sich zurück, die Arme vor der Brust verschränkt. Nein, das würden sie schon selbst herausfinden müssen. Im Moment war sein größtes Problem die Kälte, die von Sunny ausging und ihm bis in die Knochen drang.
Jacob runzelte die Stirn, als Sunny den Wagen auf eine Ausfahrt lenkte. Zwar hatte er den Weg nicht genau verfolgt, aber er war sicher, dass sie noch keine fünf Stunden unterwegs waren. »Was machst du?«
»Ich will etwas essen, und außerdem muss ich tanken.« Sie spie die Worte regelrecht aus und sah nicht einmal zu ihm hin.
Sie fuhr auf die Tankstelle, hielt den Wagen neben der Benzinsäule an und stieg aus. Während sie den Zapfhahn in den Tankstutzen steckte, murmelte sie unablässig vor sich hin.
Sie hatte eine Zeit lang tatsächlich vergessen, wie sein Verstand arbeitete. Offensichtlich dachte er jetzt,
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