Jenseits der Sehnsucht (German Edition)
fand es widersinnig, dass er um Leib und Leben fürchten sollte, wenn er doch unzählige Flüge mit Warp-Geschwindigkeit hinter sich hatte. »Ich hoffe, du weißt, was du tust.«
»Natürlich weiß ich das. Ich habe auf einem Jeep fahren gelernt.«
Sie arbeiteten sich jetzt eine kleine Anhöhe hinauf, wo der Schnee geschmolzen und wieder zu einer soliden Eisdecke gefroren war. Jacob schätzte die Abstände und Umfänge der Bäume. Er konnte wirklich nur darauf vertrauen, dass Sunny wusste, wie diese Hindernisse zu vermeiden waren.
»Du siehst irgendwie grün aus.« Sie kicherte, als der Wagen zu schlingern begann, lenkte gegen, richtete die Spur, schlingerte wieder. Wenn auch im Zickzackkurs …, sie kamen voran. »Hast du schon mal so ein Ding gefahren?«
Er dachte an sein LWL – sein Land-Wasser-Luft-Fahrzeug. Leise, absolut zuverlässig und schnell wie ein Komet. »Nein, um ehrlich zu sein, noch nie.«
»Dann erwartet dich jetzt etwas ganz Besonderes.«
Der Wagen holperte über einen unter dem Schnee versteckten Stein. »Das kann ich mir vorstellen.«
Langsam fraßen sie sich durch die Schneewehen. Jacob entspannte sich etwas. Wie es aussah, wusste Sunny tatsächlich mit diesem Vehikel umzugehen. Und nach zwanzig Minuten setzte auch endlich die Heizung ein.
»Wie wärs mit etwas Musik?«
Er runzelte die Stirn. »Ja, gern, warum nicht«, antwortete er zögernd.
»Du suchst aus.«
»Was?«
»Die Musik.« Vorsichtig steuerte sie einen Hügel hinab. »Das Radio.«
Er erblickte einen besonders massiven Baum. Mit der momentanen Geschwindigkeit und dem jetzigen Richtungswinkel rechnete Jacob in dreißig Sekunden mit dem Aufprall. »Haben wir doch gar nicht mitgebracht, oder?«
»Das Autoradio, J. T.« Sie verfehlte den Baum um knappe fünf Zentimeter. »Such einen Sender.«
Für einen Augenblick nahm sie eine Hand vom Lenkrad und zeigte auf ein Gerät im Armaturenbrett. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er die Knöpfe, vertraute auf sein Glück und drehte.
»Es funktioniert besser, wenn du es erst anstellst.«
Er hielt den Fluch zurück, drückte einen anderen Knopf und wurde mit einem ohrenbetäubenden Rauschen belohnt. Erst drehte er die Lautstärke herunter, dann machte er sich daran, einen Sender zu finden. Das Erste, was klar hereinkam, war eine schmalzige Instrumentalmelodie, getragen von Streichern. Abwartend schaute er zu Sunny hinüber.
»Wenn das deine Wahl sein sollte, werden wir unsere Beziehung noch einmal gründlich überdenken müssen.«
Töne wehten herein und verklangen wieder, während er an dem Knopf drehte. Schließlich ertönte ein flotter Rocksong, nicht unähnlich der Musik, die auch in seiner Zeit durch den Äther kam.
»Das ist in Ordnung.« Sie drehte kurz den Kopf, um ihn anzusehen. »Wer ist dein Lieblingsmusiker?«
»Mozart.« Die Antwort war sowohl zum Teil wahr als auch völlig ungefährlich.
»Meine Mutter wird dir gefallen. Als ich noch ein Kind war, hat sie immer Mozarts Klarinettenkonzert in a-Moll gespielt.« Auch wenn Rockmusik aus dem Radio klang, summte sie ein paar Takte vor sich hin. »Weil der Klang so rein sei, sagte sie immer. Mom hatte es schon immer mit der Reinheit – keine künstlichen Zusätze, keine Konservierungsstoffe.«
»Wie hält sich Nahrung, wenn man keine Konservierungsstoffe hinzufügt?«
»Meine Rede. Was wäre das Leben ohne ein bisschen Chemie, nicht wahr?« Sie lachte, erleichterter, als sie zugeben wollte, als die geräumte Landstraße in Sicht kam. »Dad hatte dann immer sofort Bob Dylan aufgelegt. Eine meiner ersten Erinnerung ist das Bild meines Vaters, wie er im Garten herumwerkelt, das Haar bis auf die Schultern, und diese verkratzte Schallplatte von Dylan sich auf dem tragbaren Plattenspieler dreht. Und alles, was er anhatte, war eine Schlaghose und Perlenketten um den Hals – mein Vater, meine ich, nicht Dylan.«
Vor Jacobs innerem Auge erschien das Bild seines Vaters, wie er in sauberer Gärtneruniform, blaues Hemd, blaue Hose, das perfekt geschnittene Haar fein säuberlich unter einer steifen Kappe versteckt, mit feierlicher Miene seine Rosen zurückschnitt und dabei Brahms hörte.
Und seine Mutter, wie sie sonntagnachmittags im Schatten eines Baumes saß und einen Roman las, während er und Cal Baseball auf dem Rasen spielten und sich über Schlagzonen stritten.
»Ich glaube, du wirst ihn mögen.«
Ihre Bemerkung holte ihn zurück. Er blinzelte sie an. »Wen?«
»Meinen Vater«, erläuterte sie. »Er wird dir
Weitere Kostenlose Bücher