Jenseits Der Unschuld
seine hänselnden Schmeicheleien in den langen Wintermonaten waren, die sie erwärmt hatten wie ein Glas Glühwein an einem bitterkalten Wintertag. Manchmal wünschte sie, er würde Rachelle woanders treffen und nicht in ihrem Atelier.
Manchmal erinnerte er sie an Edward.
Die Arbeit war wieder zum bestimmenden Inhalt in Sofies Leben geworden wie früher, ehe Edward Delanza sie in einen wilden Taumel der Gefühle gerissen hatte. Sofie war froh über ihren Eifer.
Die Arbeit am Delmonico's hatte wie eine Teufelsaustreibung begonnen. Ein Exorzismus ohne Erfolg. Statt Edward endgültig aus ihrem Leben zu verbannen, statt sich Kummer und Schmerz aus dem Herzen zu reißen, fühlte Sofie sich ihm inniger verbünden denn je. Der Grund lag nicht nur an ihrer besessenen Arbeit an dem Bild, es lag auch an dem Kind, das in ihrem Leib heranwuchs. Seit Sofie das erste Lebenszeichen des Babys in sich gespürt hatte, wuchsen ihre Muttergefühle stetig. Das Kind wurde mit jedem Tag mehr zur eigenen Persönlichkeit.
Irgendwie wusste Sofie, dass sie ein Mädchen zur Welt bringen würde. Sie hatte auch schon einen Namen für sie: Jacqueline nach ihrem Vater Jake und Edana nach Edward.
Sofie hatte sich Edward nie näher gefühlt. Sie dachte ständig an ihn, und wenn sie nicht bewusst an ihn dachte, verfolgte er sie in ihrem Unterbewusstsein. Sie achtete sorgsam darauf, ständig beschäftigt zu sein. Wenn sie nicht im Louvre Kopien alter Meister anfertigte oder in ihrem Atelier an der Staffelei stand, traf sie sich mit Freunden im Cafe oder in deren Ateliers. Und wenn sie sich erschöpft in ihre kleine Wohnung am Montmartre zurückzog, die sie im neuen Jahr gemietet hatte, war sie auch nicht allein, denn Rachelle war zu ihr gezogen. War sie aber endlich eingeschlafen, verfolgte Edwards dunkles, verwegenes Gesicht sie in ihren Träumen.
Seit das Bild vom Delmonico's fertig war, hatte sie sich anderen Themen zugewandt, hatte Genrebilder gemalt die zugleich Studien von Rachelle und Paul in verschiedenen Aspekten ihres Bohemelebens waren. Immer wieder aber malte sie wie unter Zwang Edward. Sie hatte sogar einen Akt von ihm in Öl begonnen, was sie seit langem tun wollte, Und Sofie wusste genau: wenn sie Edward zum Thema ihrer Bilder wählte, entstanden ihre spannungsreichsten und kraftvollsten Arbeiten.
Paul hatte darauf bestanden, Delmonico's seinem Freund Andre' Vollard zu zeigen, der sie geradezu anflehte, ihm das Bild zu überlassen. Doch Sofie zögerte, da sie Durand-Ruel im Wort zu sein glaubte, dem sie in New York ihre ersten Arbeiten verkauft hatte. Schließlich konnte Sofie Vollards Begeisterung nicht widerstehen, ebenso wenig den tausend Francs, die er ihr für das Bild bot. Zumal Paul ihr versichert hatte, sie habe völlig freie Hand, ihre Bilder zu verkaufen, da sie keinen Vertrag mit Durand-Ruel unter-schrieben hatte.
Delmonico's sorgte für einigen Aufruhr in der Pariser Kunstszene, ohne allerdings einen Käufer zu finden. Rachelle war stolz wie eine Glucke auf ihr Küken. Sie erzählte Sofie, sämtliche Maler und Kunstbegeisterte aus ihrem Bekanntenkreis seien in die Galerie gepilgert, um Sofies Werk zu bewundern, das im Übrigen wochenlang das Gesprächsthema Nummer eins in den Salons und Ateliers der Seinemetropole war. Eines Tages stand sogar Paul Durand-Ruel, den Sofie nie kennengelernt hatte, höchstpersönlich an der Tür ihres Ateliers und verlangte, ihre Arbeiten" u sehen. Zwischen Vollard und Durand-Ruel bestand eine gewisse Rivalität, obgleich letzterer berühmter und erfolgreicher war - allerdings auch traditionsbewusster und konservativer in der Wahl seiner Ankäufe.
Sofie hatte einige Pastellstudien von Rachelle und Paul angefertigt, und Edwards Aktstudie war beinahe fertig. Der Galerist kaufte sämtliche Arbeiten, einschließlich aller Zeichnungen, zu einem stattlichen Preis und versuchte, sie zu einem Exklusivvertrag zu überreden. Sofie versprach, darüber nachzudenken; sie war verwirrt und skeptisch.
Ehe der Kunsthändler sich verabschiedete, ließ er durchblicken, er sehe vielleicht eine Möglichkeit, eine Einzelausstellung für sie zu arrangieren. Nach seinem Besuch hatte Sofie mehrere Nächte hintereinander von ihrer erfolgreichen Einzelausstellung geträumt. Und jedes Mal stand Edward im Traum neben ihr, strahlend vor Stolz.
»Andre sagt, es bestehe Interesse am Delmonico's«, meinte Paul beim Verlassen des Hauses.
Sofies Herz weitete sich. »Wirklich?«
»In den letzten zwei Wochen haben
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