Jenseits Der Unschuld
Frau, dazu bestimmt, sich in alle Ewigkeit miteinander zu vereinen.
Sofie warf ihm einen verstohlenen Blick zu. »Es ist sehr romantisch«, hauchte sie.
Edward blickte in ihr Gesicht im flackernden Schein der Kerze und versuchte, seine Gefühle zu verdrängen. »Es ist bald vorbei.«
Ihre Mundwinkel schienen sich wehmütig hochzuziehen, in ihren Augen glitzerten Tränen. »Ich weiß.« Sie blickte wieder hinaus in den Gewittersturm.
Nie zuvor hatte Edward eine Frau so heftig begehrt wie Sofie. Er schob den Teller beiseite und versuchte damit auch seine sündigen Gedanken von sich zu schieben. Der Sturm war noch heftiger geworden, heulte gespenstisch ums Haus. Blitze zuckten grell über den schwarzen Himmel. Donnerschläge ließen die Fensterscheiben klirren. Es sah nicht danach aus, als könnten sie bald die Heimfahrt wegen - und es war bereits später Nachmittag.
Wie aufs Stichwort trat der Wirt an den Tisch. »Meine Herrschaften, ich habe schlechte Nachrichten.«
»Und die wären?« fragte Edward, der die Antwort bereits kannte. Sein Pulsschlag dröhnte ihm in den Ohren, beinahe so laut wie der Sturm draußen.
»Über den Telegraf erreichte uns soeben die Nachricht, dass der Sturm der Ausläufer eines karibischen Hurrikans ist. Es wird noch schlimmer kommen. Sie können heute auf keinen Fall weiterfahren. Aber ich habe Zimmer zu vermieten.« Er strahlte. »Morgen Mittag wird sicher die Sonne wieder scheinen.«
Edward nickte düster. Sein Magen hatte sich zusammengezogen, als er sich an Sofie wandte. »Wir müssen hier übernachten. Es tut mir leid, Sofie. «
Sofie sah ihm offen in die Augen. »Mir nicht.«
Sofie stand am Fenster des kleinen, hübsch eingerichteten Zimmers. Die Nacht war hereingebrochen, und der Regen prasselte immer noch unvermindert gegen die Fensterscheiben. Sie blickte in die sturmgepeitschte Finsternis und dachte an Edward.
Seufzend wandte sie sich ab, ihr banger Blick flog über das Bett hinweg zur Tür, die zum Nebenzimmer führte. Er hatte keinen Versuch gemacht, sich ihr zu nähern, sie zu küssen. Sofie war zutiefst verwirrt.
Hatte sie ihn falsch eingeschätzt - wie alle anderen? War er tatsächlich nur ihr Freund, ein ehrenhafter Freund? Sie sollte über diese Erkenntnis froh und erleichtert sein, doch das Herz war ihr schwer, Tränen der Enttäuschung schimmerten ihr in den Augen.
Sie war so weit gegangen, es gab kein Zurück. Sie machte ein paar zaghafte Schritte ins Zimmer und blieb stehen.
Es war nicht lange her, dass Edward sie ermuntert hatte, ihre Bilder einem Kunsthändler zu zeigen. Und er hatte ihr gesagt, dass eine Künstlerin sich der Zurückweisung stellen und lernen musste, damit umzugehen. Sie hatte ihm verschwiegen, dass sie bereits tausendfach Zurückweisung erduldet hatte. Die Zurückweisungen von Freundinnen ihrer Mutter, von Henry Marten, Carmine Vanderbilt oder von irgendeinem Kunstkritiker störten sie nicht, wie sie die Zurückweisung des Mannes verkraften sollte, den sie liebte, das wusste sie allerdings nicht.
Sofie wandte sich dem Spiegel über der Kommode zu. Der Wirt hatte ihr freundlicherweise ein Nachthemd seiner Tochter geborgt. Nun betrachtete sie sich ängstlich und kritisch im Spiegel. Das ärmellose, weiße Batisthemd war ihr zu groß und bedeckte ihre Füße bis zu den Zehenspitzen. Der dünne Stoff ließ die Konturen ihrer Beine und Schenkel erkennen, verbarg jedoch ihren missgebildeten Fuß. Sie sah nicht hässlich aus, eher lüstern. Mit fliegenden Händen löste sie die Haarnadeln und ließ ihre goldenen Locken über die Schultern fallen und lockerte sie mit den Fingern zu einer wilden Mähne. Dann kniff sie sich in die Wangen. Sie würde es tun. Sie würde zu ihm gehen. Er war nicht der finstere Schurke, für den alle Welt ihn hielt, da er keine Anstalten machte, zu ihr zu kommen. Sie musste zu ihm gehen, da sie ihn liebte und wenigstens ein einziges Mal von ihm geliebt werden wollte.
Mit energischen Schritten ging Sofie zur Verbindungstür, ehe Vernunft und Angst wieder die Oberhand gewannen.
Sie klopfte. Das Herz drohte ihr zu zerspringen.
Die Tür wurde geöffnet. Vor ihr stand Edward mit bloßem Oberkörper und nackten Füßen, nur mit seiner Leinenhose bekleidet. Sein Gesicht war angespannt und ernst -zu ernst. Sofie blickte ihm in die Augen.
Seine Stimme klang heiser und ungehalten. »Was, zum Teufel, tun Sie da, Sofie?«
»Edward«, flüsterte sie tonlos. Ihr Puls raste noch schneller. Sie flehte inständig zu Gott,
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