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Jenseits Der Unschuld

Jenseits Der Unschuld

Titel: Jenseits Der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
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sein. Sobald sie etwas gegessen und getrunken hatten, wollte er sie schleunigst nach Hause bringen.
    Er spürte ihren Blick, und als er den Kopf wandte, sah er, dass sie ihm auf den Mund starrte. Sofort senkte sie die Lider. Doch er ahnte, was ihr Blick bedeutete.
    Nein, er würde sie nicht küssen. Er durfte es nicht tun.
    Die Landschaft um den Long Island Sound war fruchtbar und üppig grün, das türkisfarbene Meer von hellen, fast weißen Sandstränden gesäumt. Darüber wölbte sich ein tiefblauer Himmel. Nur im Osten drohte eine schwarze Wolkenwand. Edward musste kein Seemann sein, um zu erkennen, dass sich über dem Atlantik ein Sturm zusammenbraute. »Ich fürchte, wir müssen ohnehin Rast machen«, murmelte er beunruhigt. »Sieht nach einem Sturm aus. Aber diese Sommergewitter ziehen schnell wieder ab«, fügte er hoffnungsvoll hinzu.
    Edward stellte den Packard vor einem Gasthaus im alten englischen Kolonialstil ab, ein roter Ziegelbau mit hohem Giebel und spitzem Dach, von zwei Schornsteinen gekrönt. Der liebevoll gepflegte Blumengarten war mit einem weiß gestrichenen Lattenzaun umgeben. Während Edward das Automobil mit einer Ölplane abdeckte, wartete Sofie an den Steinstufen der grün lackierten Eingangstür. Die gemütliche Gaststube war leer, was nicht verwunderte.
    Nach dem ersten Wochenende im September waren die Sommerfrischler wieder in die Stadt zurückgekehrt. Der Wirt führte sie zum besten Tisch am Fenster mit Ausblick auf die weite Bucht. Edward bestellte ein leichtes Fischgericht, und Sofie ließ sich zu einem Glas Wein überreden. Der Himmel verdunkelte sich bedrohlich, und bald brachte der Wirt eine Kerze, da es fast nachtdüster geworden war. Edward beugte sich über den Tisch.
    »Was ist geschehen? Warum sind Sie zu mir ins Hotel gekommen?« fragte er. »Sie wirken verstört, Sofie.«
    Sie mied seinen Blick. »Ich hoffe, Sie sind mein Freund, Edward.«
    Sein Unbehagen wuchs. »ja, das bin ich.« Deshalb sollten wir nicht hier sein. Ich will dir nicht weh tun, Sofie.
    Gütiger Himmel, nur das nicht.
    Sofie lächelte dünn. »Das freut mich.«
    »Haben Sie sich mit Ihrer Mutter gezankt, nachdem ich fort war?«
    Sofies Mund wurde schmal. »Nicht wirklich. «
    »Sofie?«
    Ihre Lider flatterten. »Es stimmt nicht. Sie hat nichts dagegen, wenn ich meine Bilder verkaufe.«
    Edward schwieg. Sein Herz krampfte sich zusammen. »Was hat sie gesagt, Sofie?«
    Sofie senkte den Blick auf das Tischtuch. »Sie will mich nur beschützen«, verteidigte sie ihre Mutter, ohne hochzusehen.
    »Sie müssen nicht beschützt werden, Sofie.«

    Ihre Lider flogen auf, und ihre bernsteinfarbenen Augen bohrten sich in seine. »Auch nicht vor Ihnen?«
    Edward sah sie lange an. Und dann antwortete der gute, der moralische Mensch in ihm, nicht der Dämon, den er mühevoll im Zaum hielt. »Nicht einmal vor mir.«
    Sofie senkte wieder den Blick, ihre zitternden Hände spielten mit dem Besteck. Und dann erschreckte sie ihn. Ohne den Blick zu heben, sagte sie leise, aber bestimmt: »Selbst wenn ich vor Ihnen beschützt werden müsste, würde ich es nicht wollen.«
    Edward zuckte zusammen. Nach dem, was zwischen ihnen vorgefallen war, gab es keinen Zweifel an der Bedeutung ihrer Worte.
    Der Wirt brachte das Essen und enthob Edward einer Entgegnung. Er spürte die Gefahr von ihrer Seite, aber auch von sich selbst. Sobald das Gewitter abgezogen war, wollte er sie schleunigst nach Hause bringen.
    Doch der Himmel hatte sich noch mehr verfinstert. Der Sturm zerrte Zweige und Blätter von den Bäumen und wirbelte sie durch die Luft. Der Regen prasselte gegen die Fensterscheiben.
    Beide beobachteten schweigend das tosende Gewitter, aßen kaum einen Bissen. Der Sturm peitschte den schwarzen Ozean, hohe Brecher brandeten mit weißen Gischtkronen wuchtig gegen den Strand. Wie auf ein stummes Zeichen trafen sich Edwards und Sofies Blicke und verschmolzen ineinander.
    Es war, als hörte die Welt auf zu existieren, als gäbe es nur ihn und sie und die entfesselten Naturgewalten. Beide hatten eine Nische gefunden, nur für sie bestimmt, eine Nische, die ihnen Schutz und Geborgenheit gab. Edward fühlte sich von einer heftigen Sehnsucht gepackt, die an seinem Herzen, seiner Seele zerrte. Eine Sehnsucht, gegen die er mit aller Willenskraft ankämpfen musste. Er durfte sich keinen Illusionen hingeben. Die Welt bestand nicht aus einem schwarzen, sturmgepeitschten Nichts; sie waren nicht die beiden einzigen Menschen im leeren Raum, Mann und

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