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Jenseits Der Unschuld

Jenseits Der Unschuld

Titel: Jenseits Der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
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frech. »Verzeihen Sie, mir bricht das Herz, wenn ich Ihr Missfallen erregt haben sollte«, meinte er zerknirscht und fasste sich theatralisch an die Brust.
    Sofie musste lächeln. Er war schäbig gekleidet. Sein Tweedmantel war abgewetzt, an den Knien seiner Hose waren Flicken aufgenäht. Und er hänselte sie. Sein Charme erinnerte sie an Edward. Ihr Lächeln erstarb, ihr Herz zog sich zusammen.
    Würde es denn immer so sein? Würde jede Kleinigkeit, die eine Erinnerung an ihn weckte, sie aus dem Gleichgewicht bringen?
    »Sofie!« rief nun Pauls Stimme hinter ihr.
    Sofie wirbelte herum, sah sein lachendes Gesicht und eilte in seine ausgebreiteten Arme. »Bonjour, Paul«, jauchzte sie. Bisher hatte sie ihn stets Monsieur Veraült genannt, doch plötzlich war es richtig, ihn beim Vornamen zu nennen.
    Er küsste sie auf beide Wangen. »Ich wusste, dass Sie kommen werden!« strahlte er. »Willkommen in Paris!«
    Paul lebte alleine in einer Zweizimmerwohnung. Seine Frau war vor drei Monaten gestorben. »Es tut mir leid«, flüsterte Sofie betroffen.
    Sie saßen um einen kleinen Tisch in der Küche - eigentlich nur eine Nische in dem größeren der beiden Zimmer, das ihm als Atelier und Wohnraum diente. Ein durchgesessenes altes Sofa und ein niedriger Tisch waren Gästen vorbehalten, während der übrige Raum von Staffelei und Arbeitstisch mit Farben und Pinseln beherrscht war. Eine halb geöffnete Tür gab Einblick in eine Schlafkammer mit einem schmalen Bett und einem einfachen Nachttisch.
    Über dem Bett befand sich ein großes Fenster, das einen wunderschönen Blick auf einen begrünten kleinen Platz bot, der mit Marktbuden und Kaffeehäusern belebt war.
    Paul bot Cafe au lait und Gebäck an, das er am Morgen gekauft hatte. »Liebe Sofie, Sie müssen wissen, dass ich meine Frau seit fast zehn Jahren nicht gesehen und kaum mit ihr zusammengelebt habe. Ich bin traurig, dass Michelle gehen musste. Aber im Grunde waren wir einander fremd. Uns verband nur die Liebe zu unserem Sohn, der längst verheiratet ist und zwei reizende Kinder hat.«
    Sofie schwieg; sie wusste nicht was sie hätte sagen können. Auch Mrs. Crandals eisiges Schweigen lastete über ihnen. Sofie konnte verstehen, warum Paul hier wohnte. Vom Fenster des Wohnzimmers aus hatte man einen unbeschreiblich schönen Blick auf die Windmühlen oben auf dem Hügel. Die Nachmittagssonne machte die kleine Wohnung hell und luftig. Sofie interessierte sich für die abgekehrte Leinwand auf der Staffelei. »Sie malen wieder, Paul?«
    Er lächelte dünn. »Der eigentliche Grund, warum ich Paris verlassen hatte, war mein Wunsch, begabten Studenten Unterricht zu geben. In Paris übt die Akademie großen Druck aus und findet meine Lehrmethoden nicht akzeptabel.
    Ich darf nicht an der Akademie unterrichten und bin auf Privatschüler angewiesen. Deshalb habe ich wieder angefangen zu malen.«
    Sofie wusste, dass die offizielle Malerei in Frankreich der strikten Kontrolle der Akademie unterworfen war. »Aber die Unabhängigen hatten kürzlich großen Erfolg, wie ich hörte.«
    »Ja. Das verdanken wir Kunsthändlern wie Paul Durand-Ruel und meinem Freund Andre Vollard, die es wagten, sich dem Salon zu widersetzen und abgelehnte Künstler wie Degas und Cezanne zu kaufen und auszustellen, ehe sie berühmt und verehrt wurden.«
    Sofie beugte sich vor. »Der Sohn von Durand-Ruel hat kurz vor meiner Abreise drei meiner Bilder in New York gekauft.«
    Paul war begeistert. »Wie wunderbar! Ich bin stolz auf Sie! Welche Bilder?«
    Sofie beschrieb ihm die Gemälde und sagte ihm, dass junger Mann am Strand bereits einen weiteren Käufer gefunden hatte. »Monsieur Jacques möchte alle meine Arbeiten sehen«, erzählte sie. »Und er will weitere figürliche Darstellungen im Stil von Junger Mann am Strand kaufen.« .
    »Ich bin überglücklich«, freute sich Paul und schenkte ihr Kaffee nach. »Vergessen Sie nur nicht, dass viele große Künstler jahrelang um ihren Erfolg kämpfen mussten, der sich oft erst in ihrer Lebensmitte einstellte.«
    »Dessen bin ich mir deutlich bewusst.«
    »Und wer ist dieser Edward, den Sie vorhin erwähnten, der Jacques Durand-Ruel auf Ihre Arbeiten aufmerksam machte?« fragte Paul.
    Sofie wusste nicht, wie sie ihre Antwort formulieren sollte. Es entstand ein gespanntes Schweigen. Mrs. Crandal und Paul sahen sie erwartungsvoll an. Sie musste etwas sagen. Sie lächelte verkrampft und hoffte inständig, nicht in Tränen auszubrechen. »Edward ist ... war ... ein

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