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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Stehlen erwischt worden ist. Sie spürte seine Verlegenheit wie eine fiebrige Krankheit und vermied es, ihm in die Augen zu sehen.
    »Es ist so durcheinander«, sagte sie leise.
    »Schon gut«, sagte er. »Du hast mich nicht erwartet.«
    »Nein.« Sie traf keinerlei Anstalten, ihn zu umarmen. Sie lä-
    chelte nicht einmal. »Mama würde durchdrehen, wenn sie wüßte, daß du hier bist. Sie hat immer recht gehabt, wenn sie sagte, daß im Grove schreckliche Dinge vor sich gehen.
    Gestern nacht war etwas hier, Howie. Um mich und Tommy-Ray zu holen.«
    »Der Jaff?«
    »Du kennst ihn?«
    »Auch zu mir ist etwas gekommen. Oder besser gesagt, hat mich zu sich gerufen. Er heißt Fletcher. Er sagt, er ist mein Vater.«
    »Glaubst du ihm?«
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    »Ja«, sagte Howie. »Ich glaube ihm.«
    Jo-Beths Augen füllten sich mit Tränen. »Nicht weinen«, sagte er. »Begreifst du nicht, was das bedeutet? Wir sind nicht Bruder und Schwester. Was zwischen uns ist, ist nicht falsch.«
    »Nur weil wir zusammenwaren, ist das alles passiert«, sagte sie. »Ist dir das nicht klar? Wenn wir einander nicht kennengelernt hätten...«
    »Haben wir aber.«
    »Wenn wir einander nicht kennengelernt hätten, wären sie nie von dort unten, wo sie waren, heraufgekommen.«
    »Ist es nicht besser, wenn wir die Wahrheit über sie wissen -
    über uns selbst? Ihr verdammter Krieg ist mir scheißegal. Und ich werde nicht zulassen, daß er uns auseinanderbringt.«
    Er ergriff mit der unverletzten linken Hand ihre rechte. Sie wehrte sich nicht und ließ sich von seinem sanften Druck näher ziehen. »Wir müssen Palomo Grove verlassen«, sagte er. »Zusammen. Irgendwohin, wo sie uns nicht finden können.«
    »Was ist mit Mama? Tommy-Ray ist fort, Howie. Das hat sie selbst gesagt. Sie hat nur noch mich.«
    »Was kannst du ihr nützen, wenn dich der Jaff bekommt?«
    argumentierte Howie. »Wenn wir jetzt gehen, haben unsere Väter nichts mehr, weswegen sie kämpfen können.«
    »Es geht nicht nur um uns«, erinnerte Jo-Beth ihn.
    »Nein, du hast recht«, gestand er und erinnerte sich, was ihm Fletcher gesagt hatte. »Es geht um diesen Ort der Essenz.« Er hielt ihre Hand fester. »Wir waren dort, du und ich. Fast. Ich will diese Reise zu Ende bringen...«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Das wirst du. Wenn wir gehen, werden wir wissen, was für eine Reise es ist. Es wird wie ein Wachtraum sein.« Beim Sprechen fiel ihm auf, daß er nicht einmal gestottert hatte.
    »Wir sollen einander hassen, weißt du? Das war ihr Plan -
    Fletchers und des Jaff -, daß wir ihren Krieg fortsetzen. Aber das werden wir nicht.«
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    Sie lächelte zum ersten Mal.
    »Nein, das werden wir nicht«, sagte sie.
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    »Ich liebe dich, Jo-Beth.«
    »Howie...«
    »Du kannst mich nicht mehr hindern. Ich habe es schon gesagt.«
    Sie küßte ihn plötzlich, eine knappe, liebliche Bewegung, und er zog sie an seinen Mund, ehe sie zurückweichen konnte, und öffnete das Siegel ihrer Lippen mit der Zunge, die in diesem Augenblick einen Tresor geöffnet hätte, wäre der Geschmack ihres Mundes darin eingeschlossen gewesen. Sie drängte sich mit einer Kraft, die seiner gleichkam, gegen ihn; ihre Zähne berührten einander, ihre Zungen spielten Tauziehen.
    Ihre linke Hand, die sie um ihn gelegt hatte, berührte seine verletzte rechte und zog sie an sich. Er konnte ihre Brust trotz des keuschen Kleides und seiner tauben Finger spüren. Er machte sich an den Knöpfen an ihrem Rücken zu schaffen und knöpfte sie so weit auf, daß er seine Haut auf ihre pressen konnte. Sie lächelte an seinen Lippen, und ihre Hand, die ihn dorthin geleitet hatte, wo er ihr wohltun konnte, wanderte zur Vorderseite seiner Jeans. Der Ständer, den er bekommen hatte, als er ihr Bett sah, war vergangen - auf Geheiß der Nerven.
    Aber ihre Berührung und ihre Küsse, die mittlerweile zu einer ununterscheidbaren Verschmelzung zweier Münder geworden waren, richteten ihn wieder auf.
    »Ich will nackt sein«, sagte er.
    Sie nahm die Lippen von seinen.
    »Obwohl sie unten sind?« sagte sie.
    »Sie sind beschäftigt, nicht?«
    »Sie werden stundenlang reden.«
    »Wir werden stundenlang brauchen«, flüsterte er.
    »Hast du einen... Schutz?«
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    »Wir müssen nichts machen. Ich will nur, daß wir einander anständig berühren können. Haut an Haut.«
    Sie sah nicht überzeugt aus, als sie von ihm zurücktrat, aber ihr Handeln strafte ihren Gesichtsausdruck Lügen, denn sie knöpfte das Kleid weiter

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