Jenseits des Bösen
kein Zögern mehr geben. Sie hatte den Desperado in ihr Bett gelassen. Obwohl sie nur die Körper aneinander gepreßt hatten, hatte diese Einladung alles verändert, was zwischen ihnen war. So frustrierend es war, ihr beim Anziehen zuzusehen, nachdem sie 304
sich gerade erst ausgezogen hatten, die Tatsache, daß sie nackt zusammengewesen waren, reichte als Erinnerung aus.
Er hob Jeans und T-Shirt auf und sah ihr zu, wie sie ihm zusah, wie er die Maschine bekleidete.
Er dachte über den Gedanken nach und veränderte ihn. Knochen und Muskeln, die er bewohnte, waren keine Maschinen.
Sie waren ein Körper, und der war empfindlich. Seine Hand tat weh; sein Ständer tat weh; sein Herz tat weh, jedenfalls vermittelte ihm ein Druck in der Brust das Gefühl von Herzschmerzen. Er war zu zart für eine Maschine und wurde zu sehr geliebt.
Sie hielt einen Augenblick inne mit dem, was sie tat, und sah zum Fenster.
»Hast du das gehört?« sagte sie.
»Nein. Was?«
»Jemand hat gerufen.«
»Der Pastor?«
Sie schüttelte den Kopf, als ihr klarwurde, daß die Stimme, die sie gehört hatte - und noch hörte - nicht vor dem Haus oder dem Zimmer war, sondern in ihrem Kopf.
»Der Jaff«, sagte sie.
Von Protesten ausgelaugt, ging Pastor John zur Spüle, nahm ein Glas, drehte den Wasserhahn auf, bis das Wasser kalt floß, füllte das Glas und trank. Es war fast zehn. Zeit, diesen Besuch zu beenden, ob er die Tochter gesehen hatte oder nicht. Er hatte so viel über die Dunkelheit in der menschlichen Seele geredet, daß er fürs erste genug hatte. Er schüttete den Rest Wasser aus, sah auf und erblickte sein Spiegelbild im Glas. Während er noch selbstverliebt und bewundernd hinsah, bewegte sich draußen etwas in der Nacht. Er legte das Glas in die Spüle.
Dort rollte es auf dem Rand hin und her.
»Pastor?«
Joyce McGuire tauchte hinter ihm auf.
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»Schon gut«, sagte er, war aber nicht sicher, wen er damit beruhigen wollte. Die Frau hatte ihm mit ihren albernen Hirngespinsten ganz durcheinandergebracht. Er sah wieder zum Fenster hinaus.
»Ich habe gedacht, ich hätte jemand in Ihrem Garten
gesehen«, sagte er. »Aber da ist niemand...«
Da! Da! Eine blasse, verschwommene Masse kam auf das Haus zu.
»Nein, ist es nicht«, sagte er.
»Was nicht?«
»Es ist nicht gut«, antwortete er und wich einen Schritt von der Spüle zurück. »Es ist überhaupt nicht gut.«
»Er ist zurückgekommen«, sagte Joyce.
Als allerletzte Antwort auf der Welt wollte er ja sagen, daher blieb er still, wich noch einen Schritt vom Fenster zurück, dann noch einen, und schüttelte verneinend den Kopf. Es sah seinen Trotz. Er sah, daß es ihn sah. Es kam begierig, seine Hoffnung zunichte zu machen, aus dem Schatten und machte seine Erscheinung deutlich.
»Allmächtiger Gott«, sagte er. » Was ist das?«
Er hörte, wie Joyce McGuire hinter ihm zu beten anfing.
Nichts Vorgefertigtes - wer würde ein Gebet in Erwartung von so etwas schreiben? -, sondern ein Strom von Fürbitten.
»Jesus hilf uns! Herr, hilf uns! Bewahre uns vor Satan! Bewahre uns vor den Gottlosen!«
»Hör doch!« sagte Jo-Beth. »Das ist Mama.«
»Ich höre es.«
»Etwas stimmt nicht!«
Als sie durchs Zimmer ging, sprang Howie an ihr vorbei und stellte sich mit dem Rücken vor die Tür.
»Sie betet nur.«
»Aber anders als sonst.«
»Küß mich.«
»Howie?«
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»Wenn sie betet, ist sie beschäftigt. Wenn sie beschäftigt ist, kann sie warten. Ich nicht. Ich habe keine Gebete, Jo-Beth. Ich habe nur dich.« Dieser Wortschwall überraschte ihn selbst, noch während er ihn aussprach. »Küß mich, Jo-Beth.«
Als sie sich zu ihm beugte, um genau das zu tun, zerschellte das Fenster unten, und Mamas Gast stieß einen Schrei aus, bei dem Jo-Beth Howie beiseite stieß und die Tür aufriß.
»Mama!« rief sie. »Mama!«
Manchmal irrte sich ein Mensch. Da er in Unwissenheit geboren wurde, war das unvermeidlich. Aber durch diese Unwissenheit zu sterben, obendrein auf brutale Weise, schien unfair zu sein. Pastor John hielt sich das blutige Gesicht und empfand ein halbes Dutzend ähnlicher Beschwerden, während er durch die Küche kroch - so weit von dem zertrümmerten Fenster und dem, was es zertrümmert hatte, weg, wie ihn seine zitternden Glieder trugen. Wie war es möglich, daß er in so eine verzweifelte Lage gekommen war? Sein Leben war nicht völlig frei von Schuld, aber seine Sünden waren keineswegs groß, und er hatte dem Herrn Abbitte geleistet. Er hatte die
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