Jenseits des Bösen
Fehler, wie bei Mr. Witt.«
»Ich hole erst Jo-Beth.«
»Wozu die Mühe?« sagte der Jaff. »Wir brauchen sie nicht.«
Tommy-Ray warf Spilmonts Terata auf den Boden. »Ich
brauche sie«, sagte er.
»Es ist selbstverständlich rein platonisch.«
»Was soll das heißen?«
»Das ist Ironie, Tommy-Ray. Was ich damit sagen will ist: Du willst ihren Körper.«
Tommy-Ray dachte einen Augenblick darüber nach. Dann
sagte er:
»Vielleicht.«
»Sei ehrlich.«
»Ich weiß nicht, was ich will«, lautete die Antwort, »aber ich weiß ganz bestimmt, was ich nicht will. Ich will nicht, daß dieser Wichser Katz sie anfaßt. Sie gehört zur Familie, richtig? Du hast mir gesagt, daß das wichtig ist.«
Der Jaff nickte. »Du bist sehr überzeugend«, sagte er.
»Also, holen wir sie?« sagte Tommy-Ray.
»Wenn es so wichtig ist«, antwortete sein Vater. »Ja, wir gehen und holen sie.«
Als er Palomo Grove zum ersten Mal sah, war Fletcher fast verzweifelt.
In den Monaten seines Krieges gegen den Jaff hatte er eine Vielzahl von Städten wie diese gesehen; geplante Gemeinden, die jede Einrichtung besaßen, nur nicht die Einrichtung zu fühlen; Orte, die einen Eindruck von Leben vermittelten, in Wirklichkeit aber wenig bis gar keines hatten. Zweimal war er, in solchen Vakuen eingeschlossen, dicht davor gewesen, von seinem Feind ausgelöscht zu werden. Obwohl er den Aberglauben 294
überwunden hatte, fragte er sich, ob dieses dritte Mal tödlich sein würde.
Der Jaff hatte seinen Brückenkopf hier bereits eingerichtet, daran zweifelte Fletcher nicht. Hier dürfte es ihm nicht schwerfallen, die schwachen und ungeschützten Seelen zu finden, über die er so gerne herfiel. Für Fletcher, dessen Halluzigenien aus einem reichhaltigen und fröhlichen Traumleben geboren wurden, bot die von Behaglichkeit und Gleichgültigkeit verderbte Stadt kaum Nahrung.
In einem Ghetto oder einem Irrenhaus, wo das Leben dicht am Abgrund verlief, hätte er mehr Glück gehabt als in dieser gut bewässerten Wüste. Aber er hatte keine Wahl. Da er keinen menschlichen Agenten hatte, der ihm den Weg zeigte, war er gezwungen, wie ein Hund zwischen den Menschen dahin-zuschleichen und nach der Fährte eines Träumers zu schnuppern. Er fand ein paar im Einkaufszentrum, wurde aber kurz angebunden abgewiesen, wenn er versuchte, sie in Gespräche zu verwickeln.
Er gab sich redliche Mühe, einen Anschein von Normalität zu wahren, doch es war lange her, seit er ein Mensch gewesen war. Die Menschen, auf die er zuging, sahen ihn seltsam an, als hätte er einen Teil seiner Vorstellung übersehen, so daß sie den vom Nuncio Verwandelten darunter erkennen konnten. Und daher zogen sie sich zurück. Einer oder zwei verweilten in seiner Gesellschaft. Eine alte Frau, die ein Stück von ihm entfernt stand und jedesmal lächelte, wenn er in ihre Richtung sah; zwei Kinder, die das Schaufenster der Tierhandlung vergaßen, als sie ihn erblickten, und ihn anstarrten, bis ihre Mütter sie zu sich riefen. Die Ausbeute war so mager, wie Fletcher befürchtet hatte. Hätte der Jaff die Möglichkeit gehabt, ihr Schlachtfeld persönlich auszusuchen, er hätte keine bessere Wahl treffen können. Wenn der Krieg zwischen ihnen in Palomo Grove zu Ende gehen sollte - und Fletcher spürte in seinem Innersten, daß einer von ihnen hier sein Ende finden würde -, dann würde 295
ganz sicher der Jaff der Sieger sein.
Als der Abend kam und sich das Einkaufszentrum leerte, ging auch Fletcher weiter und wanderte durch die einsamen Straßen. Es waren keine Fußgänger unterwegs. Nicht einmal jemand, der mit dem Hund Gassi ging. Er wußte warum. Die menschliche Sphäre konnte, obwohl sie freiwillig unempfänglich war, die Anwesenheit übernatürlicher Kräfte in ihrer Mitte nicht völlig verdrängen. Die Einwohner des Grove wußten, daß es heute nacht in ihrer Stadt spukte, obwohl sie ihre Ängste nicht in Worte hätten kleiden können, und daher suchten sie Zuflucht vor ihren Fernsehern. Fletcher konnte die Bildschirme in jedem Haus flimmern sehen, und die Lautstärke war stets aufgedreht, wie um den Gesang zu übertönen, den die Sirenen draußen heute nachsingen mochten. In den Armen von Show-mastern und Seifenopern-Königinnen gewiegt, wurden die kleinen Geister von Palomo Grove in einen unschuldigen Schlaf gelullt, und dem Wesen, das sie vor der Vernichtung hätte retten können, schlugen sie die Türen zu und ließen es draußen allein.
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Während die Dämmerung zur Nacht
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