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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Anforderungen hätte er nie genügt. Fletcher war nur ein Angestellter. Der Jaff hat ihn angestellt, damit er ihm eine chemi-sche Fahrt ermöglicht: eine Abkürzung zur ›Kunst‹ und zur Essenz.«
    »Das war der Nuncio.«
    »Er war es.«
    »Hat er seinen Zweck erfüllt?«
    »Er hätte ihn vielleicht erfüllt, wenn Fletcher nicht auch da-428
    mit in Berührung gekommen wäre.«
    »Darum haben sie gekämpft«, sagte sie.
    »Ja«, antwortete Kissoon. »Selbstverständlich. Aber das weißt du sicher. Fletcher muß es dir gesagt haben.«
    »Wir hatten nicht viel Zeit. Er hat mir Bruchstücke erklärt.
    Vieles war vage.«
    »Er war kein Genie. Den Nuncio hat er mehr durch Glück als durch Können gefunden.«
    »Bist du ihm begegnet?«
    »Ich sagte doch, seit Jaffe war niemand mehr hier. Ich bin allein.«
    »Nein«, widersprach Tesla. »Es war jemand draußen...«
    »Du meinst die Lix? Die Schlange, die die Tür aufgemacht hat? Nur eine kleine Schöpfung von mir. Ein Zeitvertreib. Es hat mir Spaß gemacht, sie zu züchten...«
    »Nein. Die nicht«, sagte sie. »In der Wüste war eine Frau.
    Ich habe sie gesehen.«
    »Ach, wirklich?« sagte Kissoon, über dessen Gesicht ein subtiler Schatten zu huschen schien. »Eine Frau?« Er lächelte verhalten. »Nun, verzeih mir«, sagte er. »Ab und zu träume ich eben auch noch. Früher konnte ich heraufbeschwören, was immer ich wollte, indem ich es träumte. War sie nackt?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Schön?«
    »So nahe war ich nicht.«
    »Oh. Schade. Aber besser für dich. Hier bist du verwundbar, und ich möchte nicht, daß dir eine eifersüchtige Geliebte etwas tut.« Seine Stimme war unbeschwerter geworden, fast ge-künstelt beiläufig.
    »Wenn du sie wieder siehst, halt dich von ihr fern. Komm ihr unter gar keinen Umständen zu nahe.«
    »Nein.«
    »Ich hoffe, sie findet hierher. Nicht, daß ich viel mit ihr machen könnte. Der Kadaver...« Er sah an seinem welken Körper 429
    hinab, »... hat schon bessere Zeiten gesehen. Aber ich könnte sie ansehen. Ich sehe gerne jemanden an. Sogar dich, wenn ich das sagen darf.«
    »Was soll das heißen, sogar?« fragte Tesla.
    Kissoon lachte laut und trocken. »Ja, es tut mir leid. Es sollte ein Kompliment sein. Ich bin so lange alleine. Ich habe meine gesellschaftlichen Umgangsformen vergessen.«
    »Du könntest doch sicher zurückkehren«, sagte sie. »Du hast mich hergebracht. Gibt es keine Rückfahrkarte?«
    »Ja und nein«, sagte er.
    »Das bedeutet?«
    »Es bedeutet, ich könnte, aber ich kann nicht.«
    »Warum?«
    »Ich bin der letzte des Schwarms«, sagte er. »Der letzte lebende Bewahrer der Essenz. Alle anderen wurden ermordet, und Versuche, sie zu ersetzen, haben nichts gebracht. Machst du mir einen Vorwurf, weil ich mich verstecke? Weil ich aus sicherer Entfernung beobachte? Wenn ich sterbe und die Tradi-tion des Schwarms nicht erneuert wurde, ist die Essenz unbewacht; und ich glaube, du weißt genug, daß du dir vorstellen kannst, wie katastrophal das wäre. Ich kann nur auf eine Weise in die Welt hinausgehen und diese lebenswichtige Aufgabe beginnen, und zwar in einer anderen Gestalt. Einem anderen...
    Körper.«
    »Wer sind die Mörder? Weißt du das?«
    Wieder der subtile Schatten.
    »Ich habe einen Verdacht«, sagte er.
    »Aber du sagst ihn mir nicht.«
    »Die Geschichte des Schwarms wimmelt vor Versuchen,
    seine Integrität anzugreifen. Er hat menschliche Feinde; un-menschliche; untermenschliche; übermenschliche. Wenn ich dir das erklären wollte, würden wir nie fertig werden.«
    »Steht etwas davon geschrieben?«
    »Du meinst, du kannst es recherchieren? Nein. Aber du 430
    kannst zwischen den Zeilen der Geschichtsbücher lesen, und du wirst den Schwarm überall finden. Er ist das Geheimnis hinter allen anderen Geheimnissen. Ganze Religionen wurden begründet und erhalten, um die Aufmerksamkeit von ihm abzulenken, um spirituelle Sucher vom Schwarm, der ›Kunst‹
    und wohin die ›Kunst‹ führt, abzulenken. Das war nicht schwer. Die Menschen lassen sich leicht von ihren Zielen abbringen, wenn man die richtigen Spuren auslegt.
    Versprechungen der Offenbarung, Wiederauferstehung des Fleisches, und so weiter...«
    »Willst du damit sagen...«
    »Unterbrich mich nicht«, sagte Kissoon. »Bitte. Ich finde gerade meinen Rhythmus.«
    »Tut mir leid«, sagte Tesla.
    Er ist fast wie ein Vertreter, dachte Tesla. Als würde er versuchen, mir die ganze außergewöhnliche Geschichte zu verkaufen.
    »Also. Wie schon gesagt...

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