Jenseits des Bösen
Laden, Jo-Beth?« fragte sie, ohne den Blick von Howie abzuwenden. »Wir sind schon zu spät.«
»Ich komme.«
»Kommt dein Freund auch mit?« fragte die Frau vielsagend.
»O ja... tut mir leid... Howie... das ist Lois Knapp.«
»Mrs.«, fügte die Frau hinzu, als wäre ihr verheirateter Zustand ein Talisman gegen fremde junge Männer.
»Lois... das ist Howie Katz.«
»Katz?« antwortete Mrs. Knapp. »Katz?« Sie wandte sich von Howie ab und sah auf die Uhr. »Fünf Minuten zu spät«, sagte sie.
»Kein Problem«, sagte Jo-Beth. »Vor zwölf kommt eh nie ein Kunde.«
Mrs. Knapp zeigte sich schockiert über diese Indiskretion.
»Die Arbeit des Herrn sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen«, bemerkte sie. »Bitte beeile dich.« Dann stakste sie davon.
»Komische Person«, kommentierte Howie.
»Nicht so schlimm, wie sie aussieht.«
»Das wäre auch schwer.«
»Ich gehe jetzt besser.«
»Warum?« sagte Howie. »Es ist so ein schöner Tag. Wir könnten irgendwohin gehen. Bei dem Wetter etwas Schönes unternehmen.«
»Morgen wird auch ein schöner Tag sein. Und übermorgen, und am Tag darauf. Wir sind hier in Kalifornien, Howie.«
»Komm trotzdem mit mir.«
»Ich will erst versuchen, mit Lois Frieden zu schließen. Ich will nicht bei jedem auf der schwarzen Liste stehen. Das würde Mama verärgern.«
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»Also wann?«
»Wann was?«
»Wann hast du Zeit?«
»Du gibst nicht auf, was?«
»Nee.«
»Ich werde Lois sagen, daß ich heute nachmittag nach Hause und mich um Tommy-Ray kümmern muß. Ich sage ihr, er ist krank. Das ist nur halb gelogen. Dann komme ich ins Motel.
Wie ist das?«
»Versprochen?«
»Versprochen.« Sie ging ein Stück weg, dann sagte sie:
»Was ist denn?«
»Du möchtest mich nicht... nicht in aller Öffentlichkeit küssen, hm?«
»Ganz sicher nicht.«
»Und wenn wir allein sind?«
Sie winkte halbherzig ab, während sie weiterging.
»Sag einfach ja.«
»Howie.«
»Sag einfach ja.«
»Ja.«
»Siehst du? War doch ganz einfach.«
Am Vormittag, als sie und Lois Eiswasser in dem sonst verlassenen Laden schlürften, sagte die ältere Frau: »Howard Katz.«
»Was ist mit ihm?« fragte Jo-Beth und richtete sich auf eine Belehrung über den Umgang mit dem anderen Geschlecht ein.
»Mir ist nicht eingefallen, woher ich den Namen kenne.«
»Und jetzt wissen Sie es wieder?«
»Eine Frau, die im Grove lebte. Ist lange her«, sagte sie, dann wischte sie mit einer Serviette einen Wasserring vom Tisch. Ihr Schweigen und die Konzentration, mit der sie den Wasserring wegwischte, deuteten an, daß sie das Thema mit 161
Freuden fallenlassen würde, sollte Jo-Beth beschließen, es nicht weiter zu verfolgen. Aber sie fühlte sich verpflichtet, das Thema anzusprechen. Warum?
»War sie eine Freundin von Ihnen?« fragte Jo-Beth.
»Nicht von mir.«
»Von Mama?«
»Ja«, sagte Lois, die immer noch wischte, obwohl der Tisch längst trocken war.
»Ja. Sie war eine Freundin deiner Mama.«
Plötzlich war alles klar.
»Eine von den vier«, sagte Jo-Beth. »Sie war eine von den vier.«
»Ich glaube schon.«
»Und hatte sie Kinder?«
»Weißt du, ich kann mich nicht erinnern.«
So eine ausweichende Antwort war die größte Annäherung an eine Lüge, deren eine so zimperliche Frau wie Lois fähig war. Jo-Beth sprach sie darauf an.
»Sie erinnern sich«, meinte sie. »Bitte sagen Sie es mir.«
»Ja. Ich glaube, ich erinnere mich. Sie hatte einen Jungen.«
»Howard.«
Lois nickte.
»Sicher?« fragte Jo-Beth.
»Ja. Sicher.«
Jetzt schwieg Jo-Beth, während sie in Gedanken versuchte, die Ereignisse der vergangenen Tage im Licht dieser neuen Enthüllung zu sehen. Was hatten ihre Träume, Howies
Rückkehr und Tommy-Rays Krankheit miteinander und mit dem Badeausflug zu tun, der, wie sie in zehn verschiedenen Versionen gehört hatte, mit Tod, Wahnsinn und Kindern geendet hatte?
Vielleicht wußte Mama es.
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3
Jose Luis, der Chauffeur von Buddy Vance, wartete fünfzig Minuten am vereinbarten Treffpunkt, dann kam er zur
Überzeugung, daß sein Boß wieder zu Fuß zurückgekehrt sein mußte. Er rief Coney via Autotelefon an. Ellen war daheim, aber der Boß nicht. Sie beratschlagten, was zu tun sei, dann kamen sie überein, daß er bis zur vollen Stunde mit dem Auto warten und dann den Weg zurückfahren sollte, den der Boß am wahrscheinlichsten einschlagen würde. Er war unterwegs nirgends zu sehen. Und er war auch nicht zu Fuß nach Hause gekommen. Sie unterhielten sich
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