Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
Er bestand nicht nur aus dem zerschundenen Fleisch und den gebrochenen Knochen. So unmoralisch er war, er hatte etwas in sich, das der Jaff jetzt beanspruchte; eine Ecke seines Wesens, von der dieser Geist profitieren konnte. Er hatte es Terata genannt.
    Buddy hatte keine Ahnung, was dieses Wort bedeutete. Aber er spürte deutlich das Entsetzen, als der Geist in ihn eindrang.
    Seine Berührung war ein Blitz, der sich in die Tiefe seiner Seele bohrte. Und auch eine Droge, die Bilder dieses
    Eindringens vor seinem geistigen Auge tanzen ließ. Und Sperma? Auch das, denn wie sonst hätte ein Leben, das er nie gehabt hatte, ein aus der Vergewaltigung des Jaff in seinem Inneren geborenes Geschöpf, jetzt aus ihm herauskommen können?
    Er erblickte es im Vorübergehen. Es war blaß und primitiv.
    Kein Gesicht, aber wuselnde Beine im Dutzend. Auch keinen Verstand; es konnte nur tun, was der Jaff befahl. Das bärtige Gesicht lachte, als es das Geschöpf sah. Der Geist ließ Buddy los, der andere Arm gab seinen Gegner frei, und dann ritt er auf dem Terata den Felsschacht empor zur Sonne.
    Der zurückbleibende Kämpfer taumelte rückwärts gegen die Wand der Höhle. Buddy konnte den liegenden Mann sehen. Er 168
    sah weniger wie ein Krieger aus als sein Gegner, demzufolge hatte ihn die Auseinandersetzung auch mehr mitgenommen.
    Sein Körper war zerschunden, der Gesichtsausdruck völlig erschöpft. Er sah den Felsschacht hinauf.
    »Jaffe!« rief er, und sein Ruf rüttelte Staub von den Simsen, gegen die Buddy bei seinem Sturz geprallt war. Keine Antwort kam aus dem Schacht. Der Mann sah zu Buddy und kniff die Augen zusammen.
    »Ich bin Fletcher«, sagte er mit singender Stimme. Er kam auf Buddy zu, und ein schwacher Lichtschein folgte ihm.
    »Vergiß deine Schmerzen.«
    Buddy gab sich allergrößte Mühe zu sagen: Hilf mir, aber das war nicht nötig. Fletchers Anwesenheit allein linderte die Schmerzen, die er empfand.
    »Fantasiere mit mir«, sagte Fletcher. »Deinen innigsten Wunsch.«
    Sterben, dachte Buddy.
    Der Geist hörte den unausgesprochenen Wunsch.
    »Nein«, sagte er. »Bitte nicht den Tod. Denk nicht an den Tod. Damit kann ich mich nicht bewaffnen.«
    Dich bewaffnen? dachte Buddy.
    »Gegen den Jaff.«
    Was seid ihr?
    »Einst Menschen. Jetzt Geister. Auf ewig Feinde. Du mußt mir helfen. Ich brauche das letzte Quentchen deines
    Verstandes, sonst muß ich nackt gegen ihn in den Krieg ziehen.«
    Tut mir leid, ich habe schon alles gegeben, dachte Buddy.
    Du hast gesehen, wie er es genommen hat. Und nebenbei, was war dieses Ding?
    »Das Terata? Deine Fleisch gewordenen Urängste. Er reitet darauf in die Welt hinaus.« Fletcher sah wieder den Schacht hinauf. »Aber er wird noch nicht zur Oberfläche vordringen.
    Der Tag ist zu hell für ihn.«
    169
    Ist es schon Tag?
    »Ja.«
    Woher weißt du das?
    »Die Bewegung der Sonne berührt mich selbst hier unten noch. Ich wollte Himmel sein, Vance. Statt dessen habe ich zwei Jahrzehnte in Dunkelheit gelebt und hatte den Jaff am Hals. Jetzt hat er den Krieg wieder nach oben verlagert, und ich brauche Armeen gegen ihn, die ich aus deinem Kopf holen kann.«
    Da ist nichts mehr, sagte Buddy. Ich bin am Ende.
    »Die Essenz muß erhalten werden«, sagte Fletcher.
    Essenz?
    »Das Meer der Träume. Du wirst seine Insel sehen, wenn du stirbst. Sie ist wunderschön; ich beneide dich um die Freiheit, diese Welt zu verlassen...«
    Du meinst den Himmel? dachte Buddy. Du sprichst vom
    Himmel? Wenn ja, da habe ich keine Chance.
    »Himmel, das ist nur eine Geschichte, die an den Ufern von Ephemeris erzählt wird. Es gibt Hunderte, und du wirst sie alle erfahren. Also hab keine Angst. Gib mir nur etwas von deinem Verstand, damit die Essenz geschützt werden kann.«
    Vor wem?
    »Dem Jaff, wem sonst?«
    Buddy war nie ein nennenswerter Träumer gewesen. Wenn er schlief und nicht betrunken oder auf Drogen war, dann schlief er wie ein Mann, der jeden Tag bis zur Erschöpfung auslebte. Nach einem Auftritt oder einem Fick oder beidem schlief er einen Schlaf, der die Generalprobe für das große Vergessen war, das jetzt auf ihn wartete. Die Angst vor der Auslöschung war eine Stütze für seinen gebrochenen Rücken, und er bemühte sich, den Sinn von Fletchers Worten zu erfassen. Ein Meer; ein Ufer; ein Ort der Geschichten, wo der Himmel nur eine von vielen Möglichkeiten war? Wie hatte er sein ganzes Leben leben und diesen Ort niemals kennenlernen 170
    können?
    »Du hast ihn kennengelernt«, erklärte

Weitere Kostenlose Bücher